Kommission greift durch: EU verbietet Fake-Siegel und falsche Öko-Versprechen

Kommission greift durch: EU verbietet Fake-Siegel und falsche Öko-Versprechen 1024 410 Anna Holzapfel
  •  Umweltbezogene Werbung wird künftig kontrolliert
  •  Nur noch neutrale und lizenzierte Prüfsiegel erlaubt
  •  Sogar Verpackungs-Design muss angepasst werden
  •  Unternehmen müssen vier neue Regeln beachten

Die Details sind geklärt, die Umsetzung startet: Mit ihrem Vorschlag für die neue Green-Claims-Richtlinie gegen irreführende Öko-Werbung, Fake-Siegel und falsche Nachhaltigkeits-Versprechen löst die Europäische Kommission dramatische Veränderungen im gesamten EU-Markt aus. Wer künftig die ökologischen Vorzüge seines Produkts bewerben will, muss das belegen. Selfmade-Siegel („mikroplastikfreie Rezeptur“) oder nicht nachvollziehbare Slogans („klimaleicht“, „umweltgerecht“) gehören damit der Vergangenheit an. Malte Biss, Gründer und Geschäftsführer der flustix Initiative aus Berlin: „Die Richtlinie ist ein Meilenstein. Die Zahl der als vermeintlich umweltfreundlich gelabelten Produkte, die uns täglich beim Einkauf begegnen, wird sich spürbar reduzieren.“

Wildwuchs bei Öko-Versprechen: rund drei Viertel aller Produkte gelabelt

Mit dem steigenden Bewusstsein für die ökologischen Auswirkungen des eigenen Konsums explodierte in den vergangenen Jahren auch die Zahl der umweltbezogenen Aussagen auf Produkten. Besonders sichtbar ist das in Drogeriemärkten, wo kaum ein Kosmetik-, Hygiene- oder Reinigungsartikel ohne den Hinweis auf angeblich ökologische Vorzüge auskommt. Branchenübergreifend tragen 75 Prozent aller Waren auf dem EU-Markt eine umweltfreundliche Behauptung, berichtet das Fachmagazin „Sustainable Plastics“. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission zählte rund 230 unterschiedliche Umweltzeichen. Außerdem wurden die getätigten Öko-Versprechen untersucht: Mehr als die Hälfte stellten sich als „vage, irreführend oder unbegründet“ heraus. 40 Prozent waren sogar „völlig unbegründet“. flustix-Chef Biss formuliert es kerniger: „Das sind glatte Öko-Lügen.“

Verwendung von Fake- und Selfmade-Siegeln ist künftig verboten

Angedockt werden die neuen Regeln an die Richtlinie 2005/29/EG, in der unlautere Geschäftspraktiken gelistet werden. Diese Praktiken werden nun um vier Punkte erweitert. Punkt eins: Verbot von Fake- und Selfmade-Siegeln. Willkürliche Umweltzeichen, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von öffentlichen Behörden eingeführt wurden, dürfen künftig nicht mehr genutzt werden. Welche Siegel und Umweltzeichen künftig zugelassen sind, lest ihr in den wichtigsten Fragen und Antworten zu der neuen Richtlinie. Übrigens: flustix prüft bereits seit 2018 auf Grundlage eines unabhängigen Zertifizierungsprogramms und ist europaweit als Unionsgewährleistungsmarken registriert und anerkannt.

„Grün“ und „umweltgerecht“ sind keine gültigen Aussagen

Die zweite Praktik, die künftig als unlauter gilt, ist die Nutzung von allgemeinen Umweltaussagen, ohne dafür eine Leistung zugunsten von Umwelt oder Klima zu erbringen. Beispiele für allgemeine umweltbezogene Angaben sind „umweltfreundlich“, „grün“, „Freund der Natur“, „ökologisch“ oder „umweltgerecht“. Nur wenn der Umweltnutzen über den gesamten Lebenszyklus und die komplette Wertschöpfungskette nachweisbar ist, kann damit auch geworben werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Werbung mit ‚klimaneutral‘, ‚klimapositiv‘, ‚grün‘ oder ähnlichen Begriffen ist häufig irreführend und eine Täuschung der Verbraucher*innen. Es ist gut, dass die Europäische Kommission nun eine Regulierung für den Europäischen Binnenmarkt auf den Weg gebracht hat: Mit der so genannten ‚Green Claims Initiative‘ soll es künftig verbindliche methodische Anforderungen für die Verwendung von Aussagen mit Umweltbezug geben. Die heute vorgestellte Initiative ist ein weiterer Baustein, um Klarheit bei den vielen Labeln zu schaffen. Wir werden die Interessen von Verbraucher*innen in den Prozess einbringen. Wichtig ist, dass Aussagen verlässlich sind und dass wissenschaftliche Methoden die Grundlage bilden.“

Für den Nachweis von Rezyklaten und für die Recyclingfähigkeit von Produkten bietet flustix europaweit verlässliche gültige Siegel auf Basis von wissenschaftlichen Grundlagen an. Die Prüfung erfolgt durch unsere unabhängigen Partner (u.a. DIN CERTCO). Hier gibt es mehr Infos zu den flustix-Siegeln.

 

Nummer drei: Nur weil die Verpackung recycelt ist, ist das Produkt nicht gleich öko

Die dritte unlautere Machenschaft: Eine Umweltaussage über das gesamte Produkt zu machen, obwohl sie nur einen bestimmten Aspekt des Produkts betrifft. Beispiel: Toilettenpapier. Auf der Packung steht groß „Recycelt“, das aber bezieht sich auf die Kunststoffverpackung, die einen Anteil an Rezyklaten enthält. Das WC-Papier selbst ist aus frischen Fasern und ordentlich weiß gechlort. Öko ist daran gar nichts. Auch ein gängiges Praxisbeispiel: Die Verpackung wird als recycelt angepriesen, dabei besteht nur der Deckel aus Rezyklaten.

Verbot Nummer vier: Standards als Besonderheiten verkaufen

Gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards dürfen nicht als herausragende Umweltleistung auf dem Produkt beworben werden, um damit den Eindruck von engagiertem Umweltschutz zu erwecken.

flustix zertifiziert die Recyclingfähigkeit über den staatlich vorgegebenen Mindeststandard hinaus und/oder die Rezyklat-Anteile und setzt dafür lizenzierte Siegel ein. Hier geht es zu den Siegeln.

 

Auch das Verpackungs-Design darf nicht in die Irre führen

Die Details der Verordnung haben es in sich: Sogar das Verwenden von suggestiven Bildern, die nichts mit der Realität zu tun haben, ist künftig nicht mehr erlaubt. In der Richtlinie heißt es dazu: „Bildsprache und Gesamtpräsentation des Produkts, einschließlich des Layouts, der Wahl der Farben, Bilder, Abbildungen, Töne, Symbole oder Etiketten, die in der umweltbezogenen Angabe enthalten sind, sollten das Ausmaß des erzielten Umweltnutzens wahrheitsgetreu und genau darstellen und den erzielten Umweltnutzen nicht überbewerten.“ Beispiel: Auf der Milchpackung sieht man eine Kuh auf einer grünen Wiese, die Milch stammt aber aus Stall- oder Anbindehaltung.

Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen

Das kann richtig teuer werden: Wer gegen die Richtlinie verstößt, muss tief in die Tasche greifen. Die Höhe der Geldbußen richten sich nach der Schwere des Verstoßes. So werden beispielsweise Wiederholungstäter schärfer bestraft. In der Richtlinie heißt es: „Der Höchstbetrag sollte abschreckend sein und mindestens vier Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Händlers betragen.“ Zudem können die Einnahmen, die aus dem Geschäft mit den betreffenden Produkten erzielt wurden, eingezogen werden. Darüber hinaus droht der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und vom Zugang zu öffentlichen Mitteln, einschließlich Ausschreibungen, Zuschüssen und Konzessionen.

Mitgliedstaaten müssen Richtlinie in nationales Recht umsetzen

Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten nun zwei Jahre Zeit, um diese in geltendes Recht umzusetzen und anzuwenden. Malte Biss: „Das klingt viel, ist es aber nicht. Denn bereits heute sind Greenwashing-Klagen an der Tagesordnung. Die neue Richtlinie wird die unlauteren Praktiken noch mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Unternehmen tun gut daran, bereits jetzt auf die neuen Standards umzustellen.“ In den in Deutschland zuständigen Ministerien, BMUV und BMEL, ist man gewillt sich jetzt schon aufzustellen und direkt nach der Veröffentlichung zu handeln, indem man die Richtlinie so schnell wie möglich in nationales Recht umsetzt. Biss: „Da wird nur ganz wenig Zeit bleiben.“

Umwelthilfe verklagt namhafte Konzerne und Marken

Im vergangenen Jahr hatte die Deutsche Umwelthilfe für Aufsehen gesorgt, als sie mehrere Unternehmen wegen vermeintlicher Öko-Lügen verklagte. Unter anderem eine Drogeriekette, deren Spülmittel der Hausmarke „Pro Climate“ als „umweltneutrales Produkt“ gelabelt wurde. Unter den beklagten fand sich auch ein Reise-Anbieter, der „klimafaire Flugtickets“ anbot. Der Laden ist mittlerweile geschlossen.

Welche Umweltzeichen sind künftig noch gültig? Auf welche Siegel kann man sich verlassen? Eine Zusammenfassung der wichtigsten Paragrafen aus der Richtlinie könnt ihr hier als PDF anfordern.
Über flustix

Die 2017 in Berlin gegründete Organisation bietet sechs unterschiedliche flustix-Siegel: Die flustix plastikfrei-Siegel zeichnen in Zusammenarbeit mit anerkannten Prüflaboren und DIN CERTCO das kumulative Produkt sowie jeweils die Verpackung oder das Produkt aus, wie auch Produktinhalte ohne Mikroplastik. Das flustix RECYCLED-Siegel zertifiziert Rezyklate, Halbzeuge und Produkte mit Rezyklat-Anteil aus u.a. Plastik, Metall & Glas. flustix RECYCLABLE – DIN plus kommuniziert unabhängig die Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Die flustix-Siegel dienen als Orientierungshilfe für Verbraucher:innen und unterstützen Unternehmen in einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensstrategie.

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