Wie plastikfrei ist der Veganuary? Einzelhandel testet neue Methode, um Verpackungsmüll zu vermeiden

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Von Carsten Gensing

Der vegane Boom nimmt kein Ende: Nach neuesten Umfragen steigt die Zahl der Konsument:innen von veganen Lebensmitteln weiter stark an. Befeuert wird die Entwicklung vom Veganuary. Die vegane Neujahrs-Challenge läuft derzeit auf Hochtouren. Sicher ist: Vegane Ernährung ist nachhaltiger als die traditionelle omnivore Lebensweise. Aber gilt das auch für die Verpackungen und den Verbrauch von Einwegplastik? Unser Autor Carsten Gensing weiß, wie viel Plastik im Veganuary steckt – und verrät, mit welcher Maßnahme die Handelsketten Kunststoffverpackungen bei veganen Lebensmitteln drastisch reduzieren wollen.

Am Veganuary führt kaum ein Weg vorbei

Einen Monat lang auf tierische Lebensmittel verzichten – dazu ruft die Organisation Veganuary jedes Jahr im Januar auf. Was 2014 an einem Küchentisch in der britischen Provinz Yorkshire von einer Lehrerin und ihrem Mann, einem Tischler, ausgetüftelt wurde, ist heute eine erfolgreiche globale Kampagne: Begleitet durch einen täglichen Newsletter probieren sich Hunderttausende Menschen 31 Tage lang durch die pflanzliche Ernährungswelt. Lebensmittelhersteller und Gastronomie-Unternehmen begleiten die vegane Neujahrs-Challenge mit neuen Produkten und Aktionsangeboten. In Deutschland sind alle großen Einzelhandelsketten beteiligt: Im Supermarkt führt deshalb kaum ein Weg am Veganuary vorbei.

Klimaschutz motiviert Menschen, vegane Ernährung auszuprobieren

Als Hauptgrund, im Januar auf tierische Produkte zu verzichten, nennen Teilnehmende in repräsentativen Umfragen neben Tierschutz und gesundheitlichen Aspekten auch den Klima- und Umweltschutz. Belegt ist: Die Massentierhaltung gehört global zu den größten Emissionstreibern bei der Lebensmittelproduktion. Aufzucht, Fütterung, Transport, Schlachtung, Kühlung und Distribution verbrauchen gewaltige Mengen an Landflächen, Rohstoffen und Energie. Die Rechnung – abseits der ethischen Aspekte – ist einfach: Der Aufwand, pflanzliche Proteine gleich für den menschlichen Verzehr zu erzeugen, ist deutlich geringer, schließlich fällt der Umweg über die Aufzucht eines Tieres weg.

Vegane Ersatzprodukte sind genau wie tierische Lebensmittel verpackt

Wenn ökologische Aspekte so wichtig sind, dann müsste das doch auch Auswirkungen auf die Verpackungen von veganen Lebensmitteln haben, oder? Wie plastikfrei sind vegane Lebensmittel verpackt? Beim Blick ins Supermarkt-Regal macht sich Ernüchterung breit. Nahezu alle veganen Ersatzprodukte werden in den klassischen Drei-Komponenten-Verpackungen angeboten: Schale mit fester Wand, eine etwas dünnere Schutzfolie, darüber eine bedruckte Umverpackungs-Hülse aus Pappe. Wer diesen Berg Müll richtig entsorgen will, muss dreifach trennen: Pappe zu Papier, die Schutzfolie muss komplett von der Schale runter und in den Gelben Sack, damit bei der Wiederverwertung die Qualität des Rezyklats nicht leidet. Geht das nicht anders?

Vegan-Produzent verteidigt Kunststoff-Packungen

Der größte deutschen Anbieter eines veganen Vollsortiments ist Veganz aus Berlin. Das Unternehmen erklärt, es versuche „nach Möglichkeit Plastikverpackungen zu reduzieren oder durch andere Verpackungs-Materialien zu ersetzen“. Betrachtet man vor allem die Frischwaren des Herstellers, stellt man fest: Käse-, Wurst und Fischalternativen stecken genau wie die tierischen Originale in Kunststoffverpackungen. Veganz verteidigt seine Verpackungen und rechnet vor: „Gerade im Hinblick auf Haltbarkeit, ausreichenden Produktschutz, Frische und Hygiene ist Kunststoff als Verpackungsmaterial einfach unschlagbar.“ Dennoch bemühe sich Veganz, alle Produktverpackungen so nachhaltig wie möglich zu gestalten und – wo möglich – auf fortschrittliche Verpackungen umzusteigen.

Vegane Schlachterei in Berliner Vegan-Hotspot

Um es kurz zu machen: Abseits der veganen Hotspots gibt es kaum eine Chance, Fleisch-, Wurst- und Käsealternativen ohne Kunststoff-Verpackung zu ergattern. Besser haben es die Menschen in den großen Metropolen. Im elitär anmutenden Berlin-Prenzlauer Berg gibt es vegane Würstchen, Gyros und Frikadellen aus rein pflanzlichen Zutaten in der „Vetzgerei“, als Verpackungen bietet der Laden Pfandgläser an. In Stuttgart betreibt Ex-Nationalkeeper Timo Hildebrandt mit einer Partnerin einen Stand für vegane Lebensmittel in der örtlichen Markthalle. Auch hier werden Mehrwegverpackungen genutzt. Bei der „Tofurei“ im wendländischen Luckau (Niedersachsen) kann man sich seinen Tofu in beliebiger Größe schneiden lassen und unverpackt abholen. Ihr merkt schon: da sind keine massentauglichen Lösungen in Sicht.

Rewe testet vegane Frischetheken

Da klingt es vielversprechend, was Einzelhandelsriese Rewe seit Herbst 2022 ausprobiert: vegane Frischetheken. In rund 50 Filialen in Deutschland liegen in Nachbarschaft zu Schweineschnitzeln jetzt auch die pflanzlichen Alternativen aus Soja- oder Erbsenproteinen. Die Idee: Der Verkauf an der Frischetheke spart Einwegplastik ein. Ganz ohne Kunststoff geht es auch hier nicht, aber allein der Gewichtsunterschied der Verpackung ist beeindruckend: Während die Drei-Komponenten-Verpackung von „Like Meat“ bei unserer Messung 25 Gramm auf die Waage bringt, reicht an der Theke ein beschichtetes Papier plus dünner Papiertüte. Gesamtgewicht: fünf Gramm.

Nehmen Menschen das Angebot an?

Schon beim Start des Tests wird klar: Das Projekt gestaltet sich schwierig. Die unmittelbare Platzierung neben der Fleischtheke schreckt vegan lebende Menschen ab. Hinzu kommt: In vielen neu gestalteten Märkten ist die Fleischtheke meist nicht mehr an einem Durchgang platziert, sondern zurückgesetzt im Laden. Menschen, die kein Fleisch mögen, müssen so gar nicht mehr daran vorbei. Entsprechend fehlen Spontankäufer:innen. Die Erfahrung machen auch andere Einzelhändler. So bietet Edeka in der Rindermarkthalle in Hamburg-St. Pauli vegane Salate neben seiner Fischtheke an. Die Zielgruppe für diese Lebensmittel kommt hier aber gar nicht vorbei. Das Ergebnis ist enttäuschend: wenig Umsatz. Dabei gilt der Laden in Hamburg als Vegan-Paradies und zieht viele Menschen aus der Szene an.

Nachfrage nach veganen Produkten steigt weiter

Ganz anders sieht es bei den abgepackten veganen Alternativen aus. Deren Umsatz ballert bei allen Ketten weiterhin steil nach oben. Von 2019 bis 2021 erhöhte sich die Produktion in Deutschland um 62,2 Prozent (Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung). Laut einer aktuellen Umfrage von Civey achtet jeder Fünfte darauf, sich mindestens gelegentlich vegan zu ernähren. Vegane Alternativprodukte sind dabei für mehr als die Hälfte der Befragten unverzichtbar und werden regelmäßig gekauft.

An Einweg-Kunststoffen führt aktuell kein Weg vorbei

Was tun? Da Mehrweg-Lösungen in unserer derzeitigen Shopping-Welt nur schwer umsetzbar sind, arbeiten die Produzenten weiter an nachhaltigen Verpackungen. So lange müssen Konsument:innen die Einwegplastik-Verpackungen mitkaufen. Kleiner Trost: Die britische Forschungsgruppe Our World in Data veröffentlichte gerade eine neue Studie, die bei der Emissionsberechnung auch die Verpackungen von Alternativprodukten sowie die Proteindichte berücksichtigt: Ergebnis: Pflanzenfleisch bleibt tierischem Fleisch deutlich überlegen.

Ohnehin sollten die Fleischalternativen nur einen kleinen Teil der täglichen Ernährung ausmachen. Wer sich vegan ernähren möchte, sollte vor allem auf frisches Obst und Gemüse zurückgreifen. Allerdings lauern auch in der Obstabteilung Gefahren. Was für einen Plastik-Irrsinn aus China wir bei EDEKA entdeckt haben, liest du hier.

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