Nachhaltigkeit? Wenn es um den eigenen Beitrag geht, setzt der Verstand aus

Nachhaltigkeit? Wenn es um den eigenen Beitrag geht, setzt der Verstand aus 2560 1024 flustix

HALTUNG MIT BISS

Der Inbegriff von Zeitverschwendung sind Diskussionen mit verbohrten Amalgam-Querköpfen über die Klimakrise. Mal abgesehen von unwiderlegbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, reichen auch schon die eigenen Augen, kombiniert mit einer Minimal-Portion an Verstand, um zu begreifen: Sämtliche der abgegriffenen Beschreibungen von fünf vor bis fünf nach 12 Uhr greifen in diesem Zusammenhang nicht mehr. Es ist schlimmer. Oder, um doch das Bild aus der Mottenkiste zu nutzen: Der 12-Uhr-Wecker klingelt bereits seit Stunden, niemand hört hin. Die Klimakatastrophe ist längst eingetreten. Der historische Hitzesommer, das verbliebene Rinnsal des Rheins, tödliche Waldbrände im Harz und bei mir ums Eck in Brandenburg sowie zuletzt biblische Unwetter auf Kreta lassen grüßen.

Trotzdem wird jede noch so klitzekleine Maßnahme, die unserem Klima helfen könnte, kaputt diskutiert. Wie heiße Kartoffeln werden potenzielle Maßnahmen hin und hergeworfen, jeder zeigt auf den anderen. Umgesetzt wird am Ende – nichts. Das macht mich wütend. Einige Beispiele.

Erst kommen das Fliegen, Rasen und Fressen – dann die Moral

Der Verzicht auf Inlandsflüge hätte keinen großen Impact, berichtet der SPIEGEL Anfang November. Schließlich würde bei Langstreckenflügen ungleich mehr Kerosin verballert (ach nee!). Die Konsequenz, so der SPIEGEL: Ein Verbot von Inlandsflügen rentiere sich nicht. Wir fliegen also weiter von Berlin nach München. Und auch günstig in den Urlaub: Am ersten November-Wochenende gab es bei Eurowings einen Flug von Berlin nach Mallorca für 39,99 Euro. Klimakrise? Bei solchen Preisen vertagen wir das Problem auf nächste Woche.

Tempolimit auf Autobahnen. Bringt nichts, sagt der Verkehrsminister, außerdem, so die FDP, hätten wir keine Zeit für ideologische Debatten – und genug 130-km/h-Schilder gebe es auch nicht. Also rasen wir weiter und verbrennen bei 200 Stundenkilometern wertvollen Rohstoff, während anderswo die Heizungen runtergestellt werden.

Discounter verschleudert Damenjeans für unter acht Euro

Ein Textil-Discounter wirbt aktuell mit einer Damenjeans für – Achtung! – sieben Euro und 99 Cent. Nochmal in Zahlen: 7,99 Euro. Die ökologischen und auch sozialen Schäden, die solche Billigtextilien anrichten, sind immens. Die knapp acht Euro reichen hinten und vorn nicht, um ein Kleidungsstück in Asien klimaneutral zu produzieren, die beschäftigten Arbeiterinnen gerecht zu entlohnen und das Produkt über den Indischen Ozean, das Rote Meer, das Mittelmeer und den Nordatlantik bis nach Deutschland zu transportieren. Die Begriffe Haltbarkeit, Schadstofffreiheit und Recyclingfähigkeit tauchen in der Wertschöpfungskette sowieso nicht auf.

Portioniertes Obst in Plastik – beim Einkauf setzt der Verstand aus

Noch immer liegen gleich neben der Obstabteilung gekühlte und mundgerecht portionierte Früchte in Einwegverpackungen aus hochwertigen Kunststoffen, die wenige Minuten nach Verzehr im Restmüll landen und in der nächsten Verbrennungsanlage für immer das Zeitliche segnen. Weil wir auf dem Weg zur Kasse über günstige und frisch abgepackte Schweinenackenschnitzel (Haltungsstufe zwei) stolpern und dazu die praktischen „Durstlöscher“ (Wasser, Sirup, Zucker und ein Hauch Fruchtsaftkonzentrat) im praktischen Tetra Pak einpacken, gibt’s an der Kasse eine mehrfach verwendbare Kunststofftasche dazu. Zuhause landet diese dann auf dem Taschenfriedhof. Dort liegt sie auch beim nächsten Einkauf noch sicher verwahrt.

Klimakatastrophe wartet nicht auf Frieden und stabile Märkte

Nein, auch wir hier bei flustix sind keine Engel und machen längst nicht alles richtig. Was ich jedoch von meinem Team und von mir erwarte: Wir müssen neue Denk- und Handlungsweisen entwickeln und fördern. Der Klimakatastrophe nimmt keine Rücksicht darauf, ob Russland in der Ukraine Krieg führt und die Märkte verrücktspielen. Die Transformation Richtung Klimaneutralität vorübergehend aussetzen? Geht nicht. Mir kommt es vor, als würden manche Unternehmen wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und darauf hoffen, dass alles gut geht, wenn man sich nur möglichst still verhält.

Drei Gedanken, die ich mit euch teilen möchte.

Alle Menschen tragen Verantwortung und können helfen

Jede:r trägt Verantwortung für die Zukunft. Es geht nicht darum, ob jemand ein Unternehmen führt oder als Konsument:in an der Frischetheke steht: Jeder Step, jede Tat, jede veränderte Verhaltensweise hilft. Wir brauchen nicht ausrechnen, ob sich ein „Verzicht“ lohnt. Einfach machen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos: Rad statt Auto, Bahn statt Flieger, mal mehr Gemüse als täglich Fleisch, unverpacktes Obst und Gemüse statt der eingeschweißten Komfort-Schale, Trockenseife statt Duschgel und und und…

Bringt nichts? Natürlich bringt das was. Vor allem, wenn mehr und mehr Menschen mitmachen. Auch ein kleiner Schritt ist ein Schritt nach vorn.

Impact statt Profit: Unternehmen lernen neues Wirtschaften

Unternehmen, die nachweislich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sind klar im Vorteil. Das belegen diverse Studien. Die grüne Finanzexpertin Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei, hat gerade ein Buch („Green Ferry“) veröffentlicht, in dem sie ihre Thesen zur Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg darlegt. Kernthese: Impact First statt Profit First – nachhaltiges Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen hat mittelfristig mehr Erfolg als die ohnehin schon saftlose Zitrone noch weiter auszupressen. Man braucht kein Parteibuch der Grünen, um Becks Gedanken nachzuvollziehen.

Wertschöpfungsketten müssen in Kreisläufen funktionieren

Mein dritter Gedanke: Egal, was wir produzieren: Wertschöpfungsketten müssen am Ende wieder geschlossen werden. Schon bei der Entwicklung eines Produktes müssen die Müllvermeidung und die Recyclingfähigkeit mit eingeplant werden. Zero Waste ist keine grüne Spinnerparole, sondern Basis für nachhaltiges Wirtschaften. Re- und Upcycling sind keine Optionen, sondern Verpflichtung. Alles, was für den Einweggebrauch produziert wird, muss sich am besten nach Gebrauch in Luft auflösen. Und wenn das nicht funktioniert, zumindest kompostierbar oder wieder verwertbar sein.

Genau in diesem Bereich haben wir bei flustix unsere größte Expertise entwickelt. Darauf bin ich auch ein bisschen stolz. Als wir vor fünf Jahren starteten, war mir selbst noch gar nicht so klar, welche Herausforderungen da vor uns liegen. Heute starte ich jeden Tag mit dem Vorsatz, mindestens ein kleines Stück von dem oben beschriebenen Irrsinns-Berg abzubauen. Am Abend freue ich mich über jeden Schritt nach vorn. Wäre gut, wenn ihr alle mitmacht.

Euer Malte Biss