Plastik im Essen – So stoppst du die Gefahr schon beim Einkaufen

Plastik im Essen – So stoppst du die Gefahr schon beim Einkaufen 1920 768 flustix

Die Gesundheitsgefahr ist unsichtbar – und steckt inzwischen in unzähligen Lebensmitteln. Chemikalien aus Kunststoffverpackungen können in die Produkte „einwandern“. Fett- und Säurehaltige Lebensmittel sind dabei besonders gefährdet. Wir erklären, welche Stoffe gefährlich sind – und zeigen dir die cleversten Alternativen

Joghurt und Limonade, Wurst und Gemüse, Öl und Gummibärchen – die meisten Lebensmittel stecken heutzutage in Plastikverpackungen. Was kaum einer ahnt: Nach Informationen der Verbraucherzentrale können grundsätzlich aus allen Verpackungen Bestandteile in das darin verpackte Lebensmittel gelangen. Dr. Konrad Grob, einer der führenden Verpackungsexperten Europas, warnte schon vor Jahren: „Vermutlich 100.000 verschiedene Substanzen gehen von Verpackungsmaterial in Nahrungsmittel über.“ Die meisten Stoffe seien noch nicht mal identifiziert, geschweige denn auf ihre Unbedenklichkeit geprüft.

Das klingt dramatisch! Die Einwanderung von Schadstoffen aus der Verpackung in die Lebensmittel nennt man Migration. Das Ausmaß hängt nach Informationen der Verbraucherzentrale von sieben Faktoren ab:

1. von der Art der „wandernden“ Substanzen

2. von der Lagerdauer des Lebensmittels in der Verpackung

3. vom Fett- und Säuregehalt des Lebensmittels

4. von der Größe der Kontaktfläche zwischen Lebensmittel und Verpackung

5. von der Temperatur bei der Herstellung

6. von der Lagertemperatur

7. von der UV-Einstrahlung auf das Lebensmittel in der Verpackung

Sogar aus Pappkartons, Schraubdeckeln und Konservendosen können schädliche Stoffe in die Lebensmittel gelangen. Besonders verdächtig sind die Weichmacher, sogenannte Phthalate. Das sind verschiedene Phthalsäure-Verbindungen, die in allen Kunststoffen vorkommen, die biegsam und weich sind. Extrainfo für chemisch Interessierte: Weichmacher fangen meist mit „D“ an und hören auf Namen wie Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) oder Di-isodecylphthalat (DIDP).

Das Riesenproblem: Weichmacher gehen keine chemische Verbindung mit dem Kunststoff ein, sondern „halten“ nur physikalisch. Deshalb können sie aus Verpackungen ausdünsten oder quasi herausgewaschen werden – besonders einfach klappt das leider mit Flüssigkeiten, fetthaltigen Lebensmitteln und Säuren. So können die Weichmacher in unser Essen und in die Atemluft gelangen.

Warum sind Weichmacher so gefährlich?

Die Stoffe greifen in den menschlichen Hormon-Stoffwechsel ein, schädigen die Leber. Die Information des Umwelt-Bundesamtes liest sich beängstigend:  „Einige Vertreter dieser Stoffgruppe werden als endokrine Disruptoren bezeichnet, die durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können. Einige Phthalate können beispielsweise die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) stuften beispielsweise die Phthalate DEHP, DBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend ein. Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) wirkt im Tierversuch schädigend auf lebenswichtige Hormondrüsen, die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Diese steuert wichtige Körperfunktionen und kontrolliert das Hormonsystem des Körpers. Bei DINP und DIDP steht die lebertoxische Wirkung im Vordergrund.“

Na Mahlzeit!

Es gibt gesetzliche Grenzwerte für die einzelnen Chemikalien. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich die Wirkungen addieren könnten. Außerdem sind die Stoffe inzwischen überall, sogar im Hausstaub! Das Bundesinstitut für Risikobewertung untersuchte die Weichmacher-Aufnahme über 37 Lebensmittelgruppen, außerdem über Spielzeug, Schuhe, Kosmetika, Textilien, Hausstaub und die Innenraumluft von Autos. Die Bilanz: Hauptaufnahmequelle sind tatsächlich Lebensmittel. Als Gesundheitsrisiko betrachten Wissenschaftler die aufgenommene Menge nicht. Bei der Untersuchung von Kindern gab es allerdings alarmierende Laborergebnisse: Bei 1,5 Prozent der Probanden wiesen Urinproben auf eine derart hohe Weichmacher-Aufnahme hin, dass Wissenschaftler eine Gesundheitsgefahr nicht mehr sicher ausschließen konnten.

Weichmacher sind die schlimmsten „Übeltäter“, aber nicht die einzigen: Mit unserem Essen können wir auch das das berüchtigte Bisphenol-A (BPA) aufnehmen, außerdem Rückstände von Mineralölen, Klebern, Kunstharzen – und jede Menge Mikroplastik.

Kokosmilch. Bei Untersuchungen des BUND fanden Prüfer in einer Kokosmilchdose aus dem Supermarkt gigantische 510 Mikrogramm/Kilo des Hormongifts BPA. Konservendosen werden innen mit einer Epoxidharzschicht versehen, die auf Basis von Bisphenol-A hergestellt wird. Kokosmilch war in Tests die mit Abstand am höchsten belastete Konserve.

Thunfisch. Auch mehr als 70 Prozent der Thunfisch-Proben aus der Dose wiesen BPA-Werte zwischen 9 und 28,5 Mikrogramm pro Kilogramm auf. Hier ist übrigens nicht der Fettgehalt entscheidend. Der höchste Wert wurde in einer Dose „Thunfisch im eigenen Saft“ gemessen.

Dosentomaten. Die österreichische BUND-Partnerorganisation Global2000 untersuchte Dosentomaten auf BPA. 13 von 15 Proben waren belastet, enthielten im Durchschnitt 22 Mikrogramm BPA pro Kilogramm. Fatal: Dosentomaten benutzen gerade Familien mit Kindern in großen Mengen.

Salz. Fast alle Tafelsalze enthalten inzwischen Mikroplastik. In einer Studie wiesen Forscher aus Südkorea in 36 von 39 Salzproben aus 21 Ländern Plastikpartikel nach. Die Mikroplastikdichte war jeweils im Meersalz am höchsten, gefolgt von Salz aus Seen und schließlich von Steinsalz. 

Wasser. In Mineralwasser aus PET-Flaschen wiesen Chemiker hormonähnliche Stoffverbindungen und konkret das Hormon Östrogen nach. In Wasser aus Kunststoffflaschen war etwa doppelt so viel enthalten wie in Wasser aus Glasflaschen. Hormonähnliche Substanzen werden als Weichmacher eingesetzt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung wurden in „Mineralwässern vereinzelt bis zu 250 Kunststoffpartikel pro Liter nachgewiesen“, hauptsächlich in Mehrwegflaschen. Die stoffliche Zusammensetzung der Partikel weist auf eine Kontamination bei der Reinigung und Wiederbefüllung der Mehrwegflaschen hin.

Miesmuscheln. In Miesmuscheln von der französisch-belgisch-niederländischen Küste fanden Lebensmittelexperten zwei Mikroplastikpartikel pro Gramm Muschelfleisch. In wildlebenden Nordsee-Miesmuscheln und Muscheln aus dem Handel wurden je nach Herkunft fadenförmige Plastikpartikel in einer Menge zwischen 2,6 und 6,1 Partikel pro 10 g Muschelfleisch nachgewiesen.

Teebeutel. Kanadische Forscher untersuchten 2019, ob beim Aufbrühen von Teebeuteln aus Nylon oder PET Kunststoffe ins Wasser gelangen. Das Ergebnis: leider jede Menge! Ein einziger Teebeutel kann mehr als 14 Milliarden Mikro- und Nanoplastikpartikel ans Wasser abgeben. In einer Tasse Tee steckten im Labortest 16 Mikrogramm Kunststoff. Auch normale Papierteebeutel können Kunstfasern, Klebstoffe und Aromaschutzschichten enthalten, gelten aber als ungefährlich.

Getränkedosen. Ein Bremer Labor untersuchte im Auftrag des BUND die Innenbeschichtung von Cola-, Limo- und Bierdosen. Ergebnis: Sie enthielten 0,3 bis 8,3 Mikrogramm Bisphenol-A.


Da hilft nur: Einkaufen und Schlemmen mit Plastik-Stopp 

Die 20 guten Vorsätze der Flustix-Redaktion – ganz einfach ab morgen umsetzbar

1. Obst und Gemüse. Kaufen wir im Supermarkt möglichst lose ein, auch wenn es (absurderweise) teurer sein sollte. Die Gemüsenetze liegen ab jetzt griffbereit in der Tasche oder im Auto!

2. Bier und Limonade. Ein eisgekühltes „Zzzzsssch“-Getränk aus der Dose gönnen wir uns nur noch selten. Bier kaufen wir ohnehin in Flaschen, bei Tonic und Limo steigen wir komplett auf Glasflaschen um.

3. Fette. Sahne, Creme Fraiche oder Mayonnaise kaufen wir nicht mehr in Plastikbechern – wenn es eine Alternative im Glas gibt. Dasselbe gilt für Oliven oder Antipasti in Öl. Glas und Porzellan sind die einzigen Stoffe, aus denen nichts ausdünsten kann.

4. Kokosmilch. Kaufen wir erstmal im Tetrapack. Noch besser: Frische Kokosnuss kaufen und Kokosmilch erstmals selbst herstellen. Weniger ambitionierte Hobbyköche versuchen einen Mix aus Kokosraspel und Milch.

5. Brot. Wir bevorzugen Brot vom Bäcker oder aus dem Frischeregal, transportieren es in der Papiertüte oder im Gemüsenetz. In Plastik eingeschweißte „Notfallbrötchen“ werden gestrichen. Wir frieren welche ein oder „backen“ blitzschnell Pfannenbrot aus Mehl und Wasser.

6. Dosentomaten. Kriegen Hausverbot! Es gibt auch Tomatenpüree in Glasflaschen oder Tetrapacks – und frische Tomaten.

7. Hülsenfrüchte. Kidneybohnen, Kichererbsen oder weiße Bohnen nehmen wir nur noch im Notfall aus der Dose. Es gibt die Hülsenfrüchte auch in Gläsern (Bioladen) – und natürlich getrocknet. Selbst gekochte Kichererbsen schmecken ohnehin besser.

8. Joghurt. Sorgt in vielen Familien für eine wahre Plastikflut. Wir nehmen uns vor, öfter Joghurt in Gläsern zu kaufen. Bei viel Tagesfreizeit eventuell erneutes Joghurt-DIY-Experiment. Geht eigentlich kinderleicht.

9. Wasser. Plastikwasser kaufen wir nur im absoluten Ausnahmefall. Leitungswasser sprudeln wir lieber selbst – in Tischkaraffen aus Glas.

10. Salz. Beim nächsten Einkauf nehmen wir kein Meersalz mehr, sondern satteln auf Steinsalz um.

11. Tee. Finden wir in Teebeuteln manchmal ganz praktisch, kaufen aber nur noch Biomarken. Wir benutzen öfter losen Tee – und kaufen uns eine praktische Filterkanne.

12. Thunfisch. Wir steigen auf Ware in Gläsern um. Der Schraubdeckel ist in Verbindung mit Öl aber leider auch nicht ideal. Also können alle, die viel Thunfisch essen, nur ihren Konsum etwas reduzieren.

13. Wurst. Frisch an der Theke kaufen. Gerade fettreiche Salami, in Plastik eingeschweißt, hat leider gute Voraussetzungen, Weichmacher aufzunehmen.

14. Öl. Olivenöl kaufen wir ohnehin in Glasflaschen. Ab jetzt auch Sonnenblumenöl zum Frittieren.

15. Snacks. Fertiggerichte gießen wir nach dem Teebeutel-Schock nicht mehr im Plastikbecher auf, sondern füllen das Pulver vorher in eine Schüssel oder einen Porzellanbecher um. Mikrowellengerichte oder Kochbeutelgerichte erhitzen wir nicht mehr in der Plastikverpackung – einfach vorher umfüllen.

16. Verpackungen. Müssen wir jetzt leider sofort entsorgen. Plastikverpackungen sind für den einmaligen und zweckbestimmten Gebrauch gedacht. Wir nutzen Joghurtbecher oder Eisboxen nicht mehr zum Einfrieren oder Aufbewahren von anderen Lebensmitteln.

17. Ausziehen. Eingeschweißte Lebensmittel packen wir möglichst gleich nach dem Einkauf aus und bewahren sie in Glas- oder Porzellangefäßen auf.

18. Butter. Kommt als Rapsöl-Butter-Gemisch meist aus dem Plastikbecher. Wir überlegen, zu Butter zu wechseln. Umfüllen in ein Glasgefäß klingt sehr umständlich.

19. Fleischtheke. Wir trauen uns, das erste Mal an der Theke zu fragen, ob wir das Fleisch in unsere Tupperdose bekommen können. Keine Angst, das machen schon ganz viele Kundinnen und Kunden so.

20. Menge. Wir kaufen Obst und Gemüse nicht mehr in der Kilo-Plastik-Schale, sondern in genau der Menge, die wir auch essen und lagern können. Im Unverpackt-Laden „zapfen“ wir uns exotische Zutaten wie Quinoa in Probiermengen für ein bestimmtes Rezept.

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