Es klingt erst einmal genial: Der Toilettenpapier-König Zewa produziert Klopapier ohne Papphülse – und verspricht so „40 Prozent weniger Abfall“. Die Technik ist denkbar einfach: Das Papier wird einfach um sich selbst gerollt. „Zewa Smart“ hat „doppelt so viele Blätter auf der Rolle“, am Ende „bleibt kein Müll übrig“. Wir fragen uns: Genialer Klimaretter-Coup, der gewaltige Mengen an Rohstoffen spart? Oder doch eher eine billige Greenwashing-Nummer? Wir gucken auf die Welt des Klopapiers und checken, was wirklich wichtig ist, wenn es um das große Geschäft mit dem Abwischen geht.
Kreislaufwirtschaft und Kacken – das passt nicht zusammen
Jeder Mensch in Deutschland verbraucht jährlich knapp 20 Kilogramm Klopapier. Das System ist einfach: Das Papier wird nach dem Abwischen mit heruntergespült, auf dem Weg in die Kläranlagen löst es sich größtenteils schon auf. Besonders widerspenstige oder mit Haaren verklumpte Stücke bleiben vor Eintritt in die Klärbecken an Filtern hängen. Dort werden die unansehnlichen Brocken abgeschöpft, gepresst, getrocknet und verbrannt. Damit ist auch klar: Klopapier kann nicht recycelt werden. Nach dem Abwischen ist definitiv Endstation: Kreislaufwirtschaft und Kacken, da geht nicht viel zusammen. Umso wichtiger, dass für den Stuhlgang möglichst recycelte Varianten gewählt werden.
Umweltbundesamt: Für Klopapier wird Regenwald gerodet
Laut Umweltbundesamt liegt der Anteil an recyceltem Klopapier in privaten Haushalten bei lediglich 50 Prozent. „Wir spülen damit unsere Wälder ins Klo“, kritisiert die Behörde. Wer Klopapier aus frischen Fasern nutzt, gefährdet laut Umweltbundesamt sogar den Regenwald: „Immer mehr Papierfasern für den deutschen Hygienemarkt stammen aus Brasilien – auch von ökologisch umstrittenen Plantagen.“ In einigen Regionen würden schnell wachsende Eukalyptus-Monokulturen angebaut, dafür werde Regenwald gerodet.
Luxus-Variante: fünf Lagen, mit offiziell ausgezeichneter Saugzone
Doch statt Recycling-Rollen setzen die Hersteller auf High-End-Varianten. Marken wie Zewa und Hakle überbieten sich hier mit Superlativen zum Thema Wohlbefinden. Auf jedem „extragroßen und dicken“ Blatt befindet sich eine „besonders aufnahmefähige Saugzone, die nicht zu toppen ist“, bewirbt Zewa sein Premium-Papier und suggeriert: Hier kannst du auch bei größeren Verschmutzungen ordentlich zulangen. Die Handfläche sei hervorragend geschützt, heißt es unterstützend in der Produktbeschreibung.
Feuchtes Toilettenpapier ist ein Pumpenkiller
Eine richtige Kack-Geschichte – zumindest aus der Umweltperspektive – ist feuchtes Toilettenpapier. Aufwendig verpackt in temporär wiederverschließbare Plastikhüllen, teilweise sogar Einweg-Kunststoffboxen, wird schon bei der ersten Berührung deutlich: Hier stecken dramatisch mehr Roh- und Zusatzstoffe drin als in einer schnöden Rolle Klopapier. Neben wasserunlöslichen Vliesstoffen sind einige Produkten noch mit Parfüm und weiteren Zusatzstoffen gepimpt. So wird sichergestellt, dass die Dinger in der Verpackung weder austrocknen noch verklumpen.
Spülbar oder nicht – das ist hier die Frage
Heiß umstritten ist, ob feuchtes Toilettenpapier bequem in die Kanalisation gespült werden darf – oder ob es via Hygieneeimer im Restmüll entsorgt werden muss. Zahlreiche Hersteller werben mittlerweile mit selbst gestalteten Siegeln auf ihren Produkten. „Sicher“ und „unbedenklich herunterspülbar“ und “schnellauflösend”, heißt es da. Entgegen dieser Hinweise warnen Entsorger und Umweltschutz-Organisationen eindringlich davor, die Nasstücher in die Toilette zu schmeißen. „Pumpenkiller“, nennt das Umweltministerium des Landes Rheinland-Pfalz die Teile. Das Umweltbundesamt verweist auf „Millionenschäden“ durch „lahmgelegte Pumpwerke“.
Einfacher Selbsttest überführt Selfmade-Siegel als Unfug
Daran ändern auch Angaben wie „schnell löslich“ nichts. Denn „schnell“ ist hier nicht schnell genug: Im heimischen Wohnzimmer-Labor packen wir zwei unterschiedliche Sorten feuchtes Toilettenpapier (darunter eine „Bio“-Marke) sowie zwei Blätter eines herkömmlichen Klopapiers in eine Schüssel mit Wasser. Eine Stunde später holen wir die drei Versuchsobjekte wieder an Land. Während das traditionelle Klopapier dabei in seine Bestandteile zerfällt, hat sich am Zustand der Tücher nichts geändert. Ohne Mühe lassen sich die Dinger aus dem Wasser nehmen und wieder trocken. Löslich? Sieht anders aus.
Klimafreundlich und sozial: Jeder Wisch bedeutet eine Spende
Man kann beim Stuhlgang aber auch Gutes tun: Das gemeinnützige Unternehmen Goldeimer aus Hamburg stellt nicht einfach nur Toilettenpapier her, es setzt sich für eine „nachhaltige Sanitärwende und eine gesicherte Sanitärversorgung“ ein. Oder schneller auf den Pott gesetzt: „Alle für Klos! Klos für alle!“, so der Slogan. Wer Goldeimer-Papier kauft, unterstützt damit Projekte auf der ganzen Welt, in denen es darum geht, sanitäre Anlagen für Menschen zu schaffen, die keinen Zugang zu sauberen Toiletten haben. Außerdem experimentiert das Unternehmen auf Festivals mit Trockenklos: Statt sechs bis neun Liter Wasser pro Spülung haut man Hobelspäne auf die Kacke. So entsteht eine Trockenmasse, die von Goldeimer kompostiert und als hochwertiger Dünger angepriesen und getestet wird. In Hamburg wächst bereits ein Kackewald (ja, heißt wirklich so) mit Sträuchern und Pappeln. Wichtig: Sämtliche Goldeimer-Rollen sind zu 100 Prozent aus recyceltem Papier (unabhängig zertifiziert).
Nachhaltig auf dem Thron: WC-Papier aus Stroh, Bambus und ohne Plastik
Auch andere Start-ups tüfteln an nachhaltigen Lösungen. Snyce aus Arnsberg (NRW) verschickt sein als 100 Prozent recyceltes WC-Papier (zertifiziert) ausschließlich in ebenfalls recycelten Kartons und nennt es deshalb plastikfrei. Oecolife verspricht ebenfalls in Papier verpackte Rollen aus „schnell nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen wie Bambus, Stroh, ungebleichtem Zellstoff oder Altpapier“. The Good Roll besteht laut Hersteller ausschließlich aus Recyclingpapier, zudem sei es frei von Chlor, Farben und Duftstoffen. 50 Prozent des Nettogewinns spendet das Unternehmen für den Bau von Toiletten in Entwicklungsländern.
Das hülsenlose Klopapier riecht eher nach einem seichten PR-Furz
Was sagt uns dieser Rundumschlag über die hülsenlosen WC-Rollen von Zewa? Wie smart sind sie wirklich? Unser Fazit ist klar: Zewa Smart ist maximal ein seichter Furz, dafür muss man nicht so auf die Kacke hauen. Ein nettes Add-on, aber so lange für das WC-Papier frisch produzierte Fasern verwendet werden, ist das kein revolutionärer Beitrag für den Natur- und Klimaschutz.
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