Die flustix-Prognose für 2023: mehr Innovationen, Kampf gegen Greenwashing, weniger Verpackung

Die flustix-Prognose für 2023: mehr Innovationen, Kampf gegen Greenwashing, weniger Verpackung 2560 1024 flustix

HALTUNG MIT BISS

Die EU-Kommission hat eine Verschärfung der Verpackungsverordnung auf den Weg gebracht. Ein richtig dickes Ding, ehrgeizig und ambitioniert. Die zentralen Neuerungen:

  1. Der Anteil der Primärrohstoffe an Verpackungsmaterial soll drastisch reduziert und durch Rezyklate ersetzt werden. Sehr gut!
  2. Das Greenwashing mit sogenanntem Bioplastik soll gestoppt, die Herstellung und Kennzeichnung von biobasierten Kunststoffen klar geregelt werden. Sehr gut!
  3. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen künftig mit europaweit einheitlichen Etiketten auf den ersten Blick erkennen können, woraus das Verpackungsmaterial besteht – und wie es entsorgt wird. Ebenfalls sehr gut!

Also alles bestens? So einfach ist es leider nicht. Denn in der Praxis werden noch Jahre vergehen, bis die neuen Maßgaben umgesetzt werden können. Insbesondere auf die europaweit einheitliche Kennzeichnung der Recyclingströme bin ich neugierig. Denn bisher geht jedes Land seine ganz eigenen Wege und nutzt dabei unterschiedlichste Sammelsysteme und Recycling-Technologien. Vergleicht man Deutschland zum Beispiel mit Portugal, dann trennen uns Welten: Die portugiesische Recycling-Quote ist miserabel. Pfandgut wird längst nicht überall zurückgenommen. Aufgrund der läppischen Entsorgungsgebühren wird ein Großteil der Abfälle nach wie vor auf Mülldeponien entsorgt – unsortiert. Wie soll da ein Joghurt-Becher in Lissabon genauso entsorgt werden wie in Berlin?

Mehr zu der neuen Verordnung lest ihr hier.

Wir müssen aber gar nicht bis Portugal gucken, um festzustellen, dass wir von Einheitlichkeit ganz weit entfernt sind. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es unterschiedliche Ansätze beim Recycling. Während in Hamburg bereits seit Mitte der 1990er Jahre Wertstoffe im gelben Sack oder der gelben Tonne eingesammelt werden, müssen die Menschen in München ihre Recyclingabfälle auch heute noch eigenhändig zu einer von insgesamt 950 sogenannten Wertstoffinseln bringen. Ergebnis: In Städten mit gelber Tonne wird vier bis sechs Mal so viel Kunststoff- und Verpackungsmüll eingesammelt wie in München. Absurd, oder?

Ich will die Pläne der EU-Kommission deshalb aber nicht zerreißen, im Gegenteil. Nur weil es schwierig ist, können wir die Probleme nicht ungelöst lassen. Und genau das ist – trotz Krieg, Klima- und Energiekrise – für mich eine positive Erkenntnis, die ich aus dem Jahr 2022 mitnehme: Wir machen in Sachen Nachhaltigkeit nicht nur große, sondern auch sehr konkrete Fortschritte.

Das passiert weniger auf den großen Bühnen, wie wir beim letzten Klimagipfel in Sharm El Sheikh mit seinen enttäuschenden Ergebnissen erneut erleben mussten. Dafür passiert es im wahren Leben, in der Wirtschaft, im Alltag. Wir bei flustix haben drei Trends ausgemacht, die Hoffnung auf 2023 machen.

1. Nachhaltigkeit bleibt der ultimative Mega-Trend

Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft: In nahezu allen Unternehmen, mit denen wir über den Einsatz von Rezyklaten und die Optimierung der Recyclingfähigkeit von Materialien sprechen, erlebe ich echte Anstrengungen und die Bereitschaft, konsequent etwas zu ändern. Studien bestätigen unsere Erfahrungen: Laut des CMO-Barometers 2023, ein wichtiger Indikator für große Marken, bleibt Nachhaltigkeit der wichtigste Mega-Trend. Das wirkt auf alle Bereiche.

2. Die Schlupflöcher verkleinern sich dramatisch

Während die Staatsoberhäupter sich schwertun, läuft die Transformation operativ bereits auf Hochtouren – dank des Engagements und des deutlich gestiegenen Bewusstseins für die Wirkung unseres Handelns. Die NGOs sind mutig und wachsam, die Verbraucherinnen und Verbraucher nehmen ihre Marktmacht wahr – und nun folgen auch Gesetzgeber und Justiz. Greenwashing wird häufiger geahndet. Erst im November kassierte der prominente Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel-Hersteller Sonett eine empfindliche Schlappe vor Gericht. Das OLG Frankfurt untersagte die Werbung mit dem Slogan „klimaneutrales Unternehmen“. Hintergrund: Der Konzern hatte lediglich Teile der Wertschöpfungskette bewerten lassen. Was auf dem Weg ins Werk und nach der Auslieferung passiert, spielte bei der Zertifizierung durch die zuletzt viel kritisierte ClimatePartner GmbH keine Rolle. Woanders billig und undurchsichtig produzieren und hier am POS dann auf klimaneutral machen – zu Ende, ist ein Auslaufmodel.

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3. Wir erleben eine Flut an Innovationen

Diese Erkenntnis macht mir besonders viel Freude: Wir erleben eine Flut an Innovationen, die auch wirklich Impact haben. Neue Mehrweglösungen, plastikfreie Rohstoffe als Kunststoff-Basis und verbesserte Recycling-Techniken – die Klimakrise treibt unseren Erfinder- und Pioniergeist voran. Schon für 2023 erwarten wir insbesondere im Lebensmittelbereich bahnbrechende Neuerungen. Statt aufwendiger und schwer zu entsorgender Mehrkomponenten-Verpackungen werden wir schon bald neue Materialien einsetzen: Im Tiefkühlbereich genau wie in der Kühltheke, wo aktuell selbst die kleinen Aufstrich- und Salatschälchen aus bis zu vier unterschiedlichen Materialien bestehen.

Mit diesen positiven Trends möchten wir dieses schwere Jahr verabschieden und voller Energie ins neue Jahr 2023 starten. Mit Spannung blicken wir gleich aufs erste Quartal: Dann bringt die EU-Kommission die Vorschläge für die Green-Claiming-Verordnung auf die Straße. Ein nächster Meilenstein zur Vermeidung von Greenwashing und ein Beschleuniger für die Transformation, in der wir alle jetzt schon gut unterwegs sind.

Genießt Sie die Weihnachtszeit. Einen guten Rutsch in ein bewegendes und aussichtsreiches 2023.

Herzlichst,
Malte Biss