Seit dem 1. Januar 2023 gilt die neue Mehrweg-Angebotspflicht. Für die Mitnahme von Essen und Getränken müssen die Betriebe den Konsument:innen jetzt Mehrweg-Alternativen anbieten. Wie klappt das? Wir von flustix haben uns umgesehen und einen ersten Praxistest gemacht.
Bei Dunkin‘ Donuts regiert der Einwegbecher
Die Wandelhalle im Hamburger Hauptbahnhof, Sonntagnachmittag, es ist kurz nach halb drei Uhr. Am Stand von Dunkin‘ Donuts drängeln sich die Reisenden, bestellen Donuts und Kaffee zum Mitnehmen. Das neue Mehrwegangebots-Gesetz ist an diesem Tag genau acht Tage alt. Nur zu sehen ist davon – nichts. Gar nichts? Stimmt nicht ganz. Ein kleiner Aufsteller in A5-Größe weist auf eine Mehrweg-Alternative hin – für zwei Euro Pfand. Anklang findet das nicht. Alle Heißgetränke, die in der knapp zehnminütigen Wartezeit über den Tresen gehen, landen in den konventionellen Einwegbechern.
Salate, Säfte, Wraps – Gesundes gibt es nur im Einwegpack
Ein paar Schritte weiter stehen wir am Stand von Mr. Clou, Anbieter von Säften, Salaten, Wraps und Bowls. Die Kühltheke ist voll, sämtliche Waren stecken in Einwegverpackungen. Mehrwegalternativen? Fehlanzeige. Man muss kein Gastro-Profi sein, um festzustellen: So, wie der Stand konzipiert ist, wäre hier gar keine Mehrweglösung möglich. Die Speisen sind bereits verpackt, Platz, um etwas in andere Behälter zu füllen, gibt es nicht. Und wenn, dann müsste es aus den bereits gefüllten Verpackungen raus und in den Mehrweg-Behälter rein – das macht keinen Sinn und ist auch verboten.
Burger King nutzt bundesweites Pfandsystem
Weiter geht’s zu Burger King. Hier gibt es die Becher von Recup, Deutschlands größtem Pfandsystem mit bundesweit rund 18.500 Ausgabestellen. Becher und Deckel kosten jeweils einen Euro Pfand. Neben den Softdrinks können auch Milchshakes und Eis im Recup-Becher bestellt werden. Die Behälter können nach Gebrauch in den Burger King-Filialen sowie allen anderen Ausgabestellen zurückgegeben werden, wo sie gespült und wieder in den Kreislauf geschickt werden. Ein Recup-Becher, so verspricht der Fastfood-Konzern auf seiner Website, könne im Laufe seines Lebens bis zu 1000 Einwegbecher ersetzen.
McDonalds und Burger King nutzen Schlupflöcher
Unbequemer wird es bei McDonalds. Der Fastfood-Riese (1430 Filialen in Deutschland) bietet genau wie Burger King lediglich Getränke, Milchshakes und Eis in Mehrweg-Bechern an. Burger und Pommes kommen weiterhin in der Pappschachtel – das erste Schlupfloch im neuen Gesetz, das für Pappe Ausnahmen macht. Wohlwissend um diese Übergangslösung hatten die Fastfood-Konzerne bereits vor längerer Zeit begonnen, ihre Verpackungen auf Papplösungen umzustellen. Jetzt soll zwar kein Plastik mehr drin sein (man weiß es nicht genau), der Müll aber bleibt. Zudem ärgerlich: Das McDonalds-Mehrwegsystem ist eine reine Insellösung. Wer bei McDonalds Mehrweg nutzt, muss die Becher auch dort zurückgeben. Für Menschen, die nicht häufig dort essen, ist das eher praxisuntauglich. Entsprechend mau gestaltet sich an diesem Sonntag auch die Nachfrage nach den Mehrweglösungen…
Deutsche Umwelthilfe fordert drastische Verschärfung der neuen Regeln
Scharfe Kritik am neuen Gesetz kommt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Eine Mehrweg-Angebotspflicht gehe zwar in die richtige Richtung, doch so lange die Einwegartikel nicht schlechter gestellt seien, laufe die Verordnung ins Leere. Die DUH fordert deshalb eine zusätzliche Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einweggeschirr. DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz: „Wenn Mehrweg zum neuen Standard für verzehrfertige Getränke und Speisen werden soll, dann reicht eine finanzielle Gleichstellung gegenüber Einweg nicht aus – denn ohne Nachbesserungen bleibt die Wegwerfvariante einfacher in der Nutzung.“
Ohne Rücknahmestellen macht Mehrweg keinen Sinn
Die Abgabe allein reicht ohnehin nicht, um den Kreislauf in Schwung zu bringen: Warum sollten Reisende bei Dunkin‘ Donuts in Hamburg einen Mehrwegbecher wählen, wenn sie diesen am Ziel ihrer Fahrt nicht zurückgeben können, weil es dort keine Filiale gibt? Oder diese geschlossen hat? Oder ihn sonst niemand nimmt?
Dann landet der Becher bestenfalls im Küchenschrank und fristet nach einmaliger Nutzung ein trauriges Dasein als nutzloses Mehrweg-Mahnmal. Nachhaltig ist das noch nicht wirklich.
Lokale Gastronomie-Betriebe machen vor, wie es geht
Besser läuft es bei regionalen Restaurants, die vor allem Menschen in der Nachbarschaft beliefern. Im Hamburger Schanzenviertel nutzen mehrere Betriebe ein weiteres großes Logistiksystem: Vytal. Der Vorteil für die Konsument:innen: Die Ausleihe des Geschirrs ist kostenlos und pfandfrei. Über die Vytal-App wird ein QR-Code auf dem Behälter gescannt und registriert. Nach dem Verzehr hat man 14 Tage Zeit, das Geschirr zurück ins Restaurant zu bringen. Ein System, das in der Nachbarschaft funktioniert, auf Reisen aber weniger. Es sei denn, man hat Glück und am Reiseziel befindet sich eine Vytal-Ausgabestelle – die nimmt dann auch das Geschirr von anderen Partnern zurück. Es muss lediglich einmal kalt gespült werden.
Mehrweg-Anbieter verhandeln über gemeinsame Rücknahmestationen
Damit sich das Mehrwegsystem durchsetzt, braucht es Rücknahmestation im öffentlichen Raum, sagt Vytal-Gründer Fabian Barthel. Diese müssten von einem neutralen Dienstleister betrieben werden, der die Behälter abholt, spült und wieder an die Ausgabestellen bringt – egal von welchem Anbieter das Geschirr stammt. Aktuell gibt es drei große Anbieter, zwischen ihnen laufen auch Gespräche, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Eine Einigung über gemeinsame Rücknahmestellen gibt es bisher nicht.
In München hängen bereits Rücknahme-Automaten
Die fehlende Einigkeit macht sich nun ein kleines Start-up aus der Schweiz zunutze: Kooky hat in München 40 Rücknahmeautomaten aufgestellt, die Kooky-Becher schlucken und Pfand ausspucken. Das ausgebende Café zahlt dafür zwischen zehn und 15 Cent Gebühr an Kooky für Reinigung und Transport der Becher. Zum Vergleich: ein Einwegbecher kostet knapp zehn Cent – wirtschaftlich scheint das vertretbar. Eine Lösung auch für die Becher der anderen Anbieter? Leider nein: Kooky arbeitet mit einer Chip-Technologie, die sonst niemand nutzt – und deshalb nimmt der Automat auch keine Becher von Recup oder Vytal an.
Einwegpfand-Automaten als Vorbild für Essensbehälter und Getränkebecher
Also keine Lösung in Sicht? Malte Biss, Gründer und Geschäftsführer von flustix, verweist auf den jahrelangen Kampf um das Einwegpfand bei Dosen- und Flaschen: „Das wurde 1991 beschlossen und erst 15 Jahre später trat eine einheitliche Regelung in Kraft. Jetzt haben wir für diese Art an Behältnissen das beste Einwegpfand-System und somit Kreislaufsystem der Welt. Zumindest könnte der Weg und die Umsetzung des Einwegpfandsystems ein Wegweiser für ein Mehrweggeschirr-System darstellen. Es steht am Anfang und hat jede Chance verdient.“
Was genau im neuen Gesetz steht und für welche Betriebe Ausnahmen gelten, das liest du hier.