Experte warnt: Handelsketten treiben Recycling-Unternehmen in die Insolvenz

Experte warnt: Handelsketten treiben Recycling-Unternehmen in die Insolvenz 1920 768 flustix

Die deutschen Recyclingunternehmen stehen unter Druck: den stark ansteigenden Produktionskosten steht ein gleichbleibend hoher Preis für gebrauchte PET-Flaschen und Flakes gegenüber. Der Grund liegt auf der Hand: Trotz gestiegener Preise für Rohöl ist frisches Plastik immer noch billiger als Recycling-Material. So kostete eine Tonne PET für Verpackungen im Dezember 1450 Euro. Der Preis für eine Tonne rPET lag bei 2200 Euro. „Die Entwicklung ist dramatisch“, sagt Till Isensee, General Manager der TILISCO GmbH, einer technischen Unternehmensberatung für nachhaltige Verpackungen und Prozesse. Seine Prognose: Bis 2025, wenn die in der EU-Richtlinie festgelegte Recycling-Quote von 25 Prozent greift, könnten es einige Recycling-Unternehmen nicht mehr schaffen.

Herr Isensee, was passiert da gerade im Recyclingmarkt?

Till Isensee: Der Absatzmarkt für Recycling-PET-Flaschen und -Flakes ist eingebrochen, man wird nichts los. Die Lager und Höfe sind voll. Wir haben einen riesigen Recycling-Stau.

Woran liegt das?

Die Verantwortung dafür tragen die großen Handelsketten, speziell die Discounter. Aldi und Lidl sind die Marktführer beim Einsatz von Einweg PET-Getränkeflaschen. Trotz massiver Kostensteigerungen auf Seiten der Abfüller, akzeptieren die Discounter keine Preiserhöhungen für ihre Handelsmarken. Durch die Weigerung der Weitergabe von Kosten sinken die Umsätze der Hersteller. Die natürliche Reaktion eines jeden CEOs: Wir müssen die Kosten senken.

Und dann wird auf den Einsatz von Rezyklat verzichtet?

Genau. Frisches Plastik ist immer noch viel günstiger als recycelte Kunststoffe. Und die rechtliche Verpflichtung, mindestens 25 Prozent Rezyklat einzusetzen, greift erst 2025. Es ist ganz einfach: Große Unternehmen verständigen sich darauf, Rezyklat einzusetzen, aber wenn es ums Geld geht, sagen sie: ‚Die Verpflichtung kommt erst 2025, so lange lassen wir es dann doch noch bleiben‘ . Alle sind überzeugt, dass der Markt wieder anspringt. Aber das wird vermutlich erst 2024 sein. Im schlimmsten Fall verlieren wir bis dahin aber Recycling-Kapazitäten. Wenn wir sie ab 2024/25 brauchen, fehlen sie.

Kann die Politik da einwirken?

Die EU hat bereits die richtigen Signale gesetzt. Die Single-Use-Plastik-Richtlinie ist ein fantastisches Instrument, das hat auch für andere Branchen Vorbild-Charakter. Das Problem: Wir können nicht auf die freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen setzen. Wenn es ums Geld geht, ist es vorbei der Freiwilligkeit. Gucken Sie sich mal die Zielvereinbarungen der CEOs und leitender Manager in den Großkonzernen an. Da finden sich keine Klimaziele. Da steht vor allem eines drin: EBITDA. Wenn es um den persönlichen Bonus geht, sind Recyclingquoten ganz schnell vergessen.

Also muss die Politik mehr Druck ausüben?

Ich persönlich bin ein großer Fan von Plastiksteuern. Es ist irrsinnig, wie wir Plastik besteuern: Seit den 1970er Jahren subventionieren die europäischen Staaten die Kunststoffindustrie, weil auf die Mineralöle keine Abgaben erhoben werden. Damit befeuert man die Produktion von frischen Kunststoffen. Das muss ein Ende haben. Jetzt.

Zur Person

Till Isensee ist Gründer, General Manager und Senior Consultant der TILISCO GmbH. Die Verpackungsspezialisten von TILISCO beraten und unterstützen Unternehmen auf dem Sektor der nachhaltigen Verpackungen und Prozesse.

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