Mysterium Gelber Sack – was uns das Trennen von Abfall so schwer macht

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DEEP DIVE WERTSTOFFTONNE

Von Ulrike Seidel

Mehr als 30 Jahre nach Einführung des Verpackungsrecyclings haben wir zwar jede Menge Tonnen, Container und Säcke in unseren Straßen stehen, sind aber trotzdem oft verwirrt: Was genau gehört denn jetzt in die Gelbe Tonne? Warum dürfen da Kronkorken aus Metall rein, Blechgeschirr aber nicht? Und warum ist eine Kunststoffverpackung willkommen, eine Plastik-Zahnbürste hingegen verboten?

Nach Angaben der Initiative „Mülltrennung wirkt“ werden gerade mal 70 Prozent des Gelbe-Tonne-Mülls in Deutschland korrekt einsortiert. 30 Prozent sind sogenannte Fehlwürfe. Branchenexperten des Fachverbands Kunststoffrecycling schätzen die Quote der Fehlwürfe sogar auf 40 bis 60 Prozent. Zum Vergleich: Der Inhalt von Altpapiertonnen ist zu 98 Prozent verwertbar.

Was ist denn bitte so schwierig an der Mülltrennung?

Die wenig überzeugende Quote hat vor allem damit zu tun, dass in den Gelben Sack eine bunte Mischung aus Wertstoffen kommt – und die Grenzen nicht immer nachvollziehbar sind. Ein Blick zurück in die Anfangsjahre erklärt, warum es bei uns nicht getrennte Kunststoff- und Metalltonnen gibt. Vor mehr als 30 Jahren fing alles an. 1991 wurde der „Grüne Punkt“ geboren. Heute gehört der Punkt neben anderen Kennzeichen zu den dualen Systemen, die sich aus dem Gelben Sack und der Gelbe Tonne speisen – und privatwirtschaftlich finanziert werden. Das Verpackungsgesetz verpflichtet Industrie und Handel nämlich, Verkaufsverpackungen zurückzunehmen und zu recyceln. Hersteller und Händler zahlen deshalb eine Lizenzgebühr an einen Verwerter, der Entsorgung und Recycling übernimmt – und genau diese Wertstoffe landen alle in einem Sack oder einer Tonne. Getrennt werden sie in Sortieranlagen – und hier lauert die erste Falle.

Plastikabfälle als Ersatzbrennstoff

Die Abfälle müssen nach Sorten getrennt werden. Doch wenn der Aludeckel noch am Joghurtbecher aus Kunststoff klebt, wird es schwer. Ein anderes Beispiel: Aufschnittverpackungen für Wurst und Käse, wie wir sie aus jedem Kühlregal kennen. Der Körper besteht aus hochwertigem Kunststoff, die Deckelfolie ist mitunter deutlich dünner. Werden Körper und Deckel nicht getrennt, ist das wertvollere Teil nicht mehr sortenrein. Entweder verschlechtert sich die Qualität des Rezyklats – oder die Verpackung landet gleich im „thermischen Recycling“. Thermische Recycling? Klingt gut, ist aber nichts anderes als die Nutzung von Plastik als Brennstoff: Plastikteile, für die es noch keine ausgereiften Recyclingverfahren gibt, werden u.a. zu Briketts gepresst und als Ersatz für Kohle und Gas verfeuert – zum Beispiel in Zementwerken. Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft gewinnen beim „thermischen Recycling“ leider nichts.

Plastikschüsseln sind ungebetene Gäste im Gelben Sack

Es gibt aber noch einen weiteren Haken. Hartplastik, wie z.B. Kleiderbügel, Plastikschüsseln, Gartenstühle, Kinderspielzeug oder Zahnbürsten landen häufig im Gelben Sack. Macht Sinn, sagt der gesunde Menschenverstand, schließlich sind sie ja aus verwertbarem Kunststoff. Dennoch gelten solche Gegenstände als ungebetene Gäste in den Sortieranlagen. Ein Phänomen, das die Schwierigkeit unserer Recycling-Infrastruktur in Deutschland auf den Punkt bringt: Das System ist privatwirtschaftlich organisiert. Zugang bekommt nur, wer eine Entsorgungsgebühr bezahlt. Die Gebühr zahlen nur diejenigen, die durch das Verpackungsgesetz dazu verpflichtet sind.

Die Entsorgungs- und Sortieranlagen sind folgerichtig auf die Trennung von typischen Verpackungsmaterialien optimiert. „Stoffgleiche Nichtverpackungen“, so der Branchenbegriff für Plastiksachen, gehören nicht dazu und werden aussortiert – Endstation Verbrennungsanlage. Um diese Verschwendung von Wertstoffen zu reduzieren, bieten einige Gemeinden in Deutschland eine zusätzliche Wertstofftonne an oder sammeln Hartplastik auf dem Wertstoffhof. Klingt nach einer Notlösung, nicht nach einer effektiven Verwertungskette.

Und es gibt weitere kritische Stoffe in der Gelben Tonne: Alufolie. Die eignet sich hervorragend als Recycling-Material. Doch weil sie nicht unters Verpackungsgesetz fällt, führen die Hersteller keine Gebühren ans Duale System ab. Die Verwerter könnten somit die Verwertung theoretisch verweigern, obwohl es andere Stoffe in der Recyclingkette gibt, die exakt stoffgleich sind – wie z.B. Deckel von Joghurtbechern. Die Lösung? Umweltschutz-Organisationen rufen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einer Art zivilem Ungehorsam auf. Denn Alufolie im Restmüll zu entsorgen, wäre die reinste Rohstoff-Verschwendung. Also ab damit in die Gelbe Tonne.

Wir müssen noch viel mehr sammeln und trennen

„Für eine echte Kreislaufwirtschaft müssten wir noch viel mehr sammeln und exakter trennen“, sagt Malte Biss, Chef von flustix. Er lobt die Bemühungen von Herstellern, Handel und Entsorgern, fordert aber dennoch eine deutliche Leistungssteigerung des Systems. „Exportierter Müll darf nicht in der Quote auftauchen – und am besten ist, er würde auch nicht erst exportiert. Wir brauchen diese Wertstoffe. Es ist absurd, dass wir gesammelte Kunststoffe verbrennen, während auf der anderen Seite die Industrie gewaltige Mengen neues Plastik produziert – und dieses durch Subventionen in Form von Steuervergünstigungen günstiger ist als die Rezyklate.“

Biss fordert, diese Steuervergünstigungen zu streichen und stattdessen die Recycling-Branche zu stärken, sowie die Recycling-Infrastruktur und Aufklärungskampagnen zu fördern, die das Mysterium Gelbe Tonne entzaubern. Der flustix-Chef: „Denn nur, wenn die Menschen zuhause verstehen, wie sie ihre Abfälle richtig trennen und entsprechend Vorarbeit leisten, wird das System auch erfolgreich laufen.“

Eine dieser Kampagnen heißt „Mülltrennung wirkt“. Zu der Initiative gehören Hersteller, Handel (u.a. Edeka) und Entsorger (u.a. Alba). Auf der Website findest du u.a. Wertstofflisten. Was alles in den Gelben Sack, findest du hier. Was alles in die anderen Tonnen gehört, das steht hier.

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