Supermärkte tricksen Einwegtüten-Verbot mit noch mehr Plastik aus

Supermärkte tricksen Einwegtüten-Verbot mit noch mehr Plastik aus 1920 768 flustix

Schummeltüten

Seit dem 1. Januar 2022 sind Plastiktüten in Supermärkten, Discountern und Drogerien verboten. Doch nicht alle Handelsketten halten sich daran, versorgen ihre Kundschaft stattdessen mit Schummeltüten – die noch mehr Kunststoff enthalten als die jahrzehntelang verwendeten Plastiktüten. Die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) enthüllten Praktiken rufen jetzt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90 / GRÜNE) auf den Plan. Sie verlangt von den Handelsketten, sich an das Verbot zu halten.

„Das geltende Recht an der Nase herumzuführen, indem sie Einwegtüten einfach minimal dicker machen, schadet der Umwelt. Ich hoffe, dass es nicht schon wieder eine gesetzliche Regelung braucht“, sagte die Ministerin mit Blick auf die Praxis in Supermärkten. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Grünen-Politikerin aufgefordert, gesetzlich nachzubessern.

Was die Umweltschutz-Organisation anprangert: Durch die Schummeltüten-Masche wird nicht weniger, sondern sogar mehr Plastik in Umlauf gebracht. Dafür nutzen die Handelsketten ein Schlupfloch in dem neuen Gesetz. Das verbietet lediglich Plastiktüten mit einer Wandstärke von 15 bis 49 Mikrometern. Laut DUH würden Supermärkte, Discounter und Drogerien die Einwegtüten einfach um weniger Mikrometer dicker machen. Die Stärke betrage demnach 50 bis 60 Mikrometer.

Konkret handelt es sich um Edeka, Netto Nord, Netto Markendiscount, Norma, Müller und Rossmann. Die Händler verweisen darauf, dass die Taschen von den Kunden nachgefragt würden. Edeka erklärte, man animiere die Kundinnen und Kunden, die Taschen mehrfach zu verwenden.

Eine Stellungnahme, die vom DUH scharf kritisiert wird. „Besonders dreist sind Werbeaussagen, die Einweg-Plastiktüten trotz erwartbar kurzer Nutzungsdauer als Mehrweg-Produkte bezeichnen“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH. „Händler wie Norma, Rossmann und Edeka versuchen, ihre unökologischen Tüten durch entsprechende Mehrweg-Slogans schönzureden. Hier werden Verbraucherinnen und Verbraucher an der Nase herumgeführt.“ Dass es auch ohne Einweg-Plastiktüten geht, zeigen die Händler Kaufland, Lidl, Rewe, Penny, Aldi Nord und Süd. „Sie haben die Umweltsünde aus Plastik verbannt“, so Fischer.

Malte Biss, Gründer und Geschäftsführer von flustix, kritisiert die Praktiken ebenfalls deutlich. „Das Vertrauen, das Ministerin Schulze in die Wirtschaft investiert hat, wird mit solchen Tricksereien zerstört. Der Fall zeigt: reine Verbote helfen wenig, insbesondere wenn sie von einigen umgangen werden – zum Schaden der Unternehmen, die sich an die Verordnungen halten. Eine Lösung sind Zertifizierungen von unabhängigen Dritten. Sie bieten Sicherheit – für die Politik, Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher.“

Die Glaubwürdigkeit von Unternehmen, die ihre Produkte als nachhaltig und klimaneutral anpreisen, steht ohnehin gerade auf dem Prüfstand. Erst vor wenigen Tagen war das einstige Impact-Start-up Got Bag in die Kritik geraten. Das Unternehmen warb damit, Taschen und Rucksäcke aus im Meer gesammelten Plastik herzustellen. Inzwischen musste Got Bag einräumen, dass nur ein Teil des Materials recycelter Kunststoff aus den Ozeanen ist. Das Portal Utopia berichtete zudem, es gebe weder eine Umweltbilanz noch eine Lebenszyklusanalyse für die Produkte. flustix-Chef Malte Biss: „Auch dieser Fall zeigt, wie wenig sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf Versprechungen von Unternehmen ohne eine unabhängige Lizenzierung verlassen können.“

Service

Das Einkaufstüten-Lexikon

Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gehören Einwegtragetaschen zu den größten Umweltsünden des Handels. So wurden in Deutschland im Jahr 2019 – vor Inkrafttreten des Verbots – noch knapp 1,5 Milliarden leichte Plastiktüten mit Wandstärken unter 50 Mikrometern in Umlauf gebracht. Welche Tragetasche hilft beim Umweltschutz? Ein schnelles Lexikon.

Papiertüten

Gelten bei vielen Menschen als umweltfreundliche Alternative – sind es aber nicht, urteilen die Expert:innen der Deutschen Umwelthilfe: „Die Produktion verbraucht viel Wasser, Energie und Chemikalien. Zudem müssen Sie dickwandiger sein und verbrauchen somit mehr Rohstoffe. Darüber hinaus werden Papiertüten zumeist aus Neumaterial produziert, wofür eine Vielzahl von Bäumen abgeholzt werden müssen.“

Mehrwegtaschen aus Kunststoff

Bedingt tauglich – wenn für die Herstellung recyceltes Plastik verwendet wird. Unbedingt darauf achten, ob der Recycling-Anteil von unabhängigen Instituten und Organisationen wie flustix überprüft ist.

Jutetaschen

Hoher Aufwand, aber dafür langlebig. Es liegt bei uns als Vebraucherinnen und Verbrauchern, die Taschen schonend zu behandeln und auch immer wieder einzusetzen. Bergeweise gestapelt in der Abstellkammer haben sie keinen positiven Impact auf die Umweltbilanz beim Einkaufen.

Hemdchen-Beutel

Die in Obst- und Gemüseabteilungen verwendeten Tüten mit einer Wandstärke von unter 15 Mikrometern dürfen weiterhin verwendet werden. Problem laut DUH: Diese hauchdünnen Tüten können nicht wieder verwendet werden, landen im Restmüll oder werden vom Wind erfasst und landen als „blow trash“ in der Umwelt.

Mehrweg-Netz für Obst und Gemüse

Gibt es quasi überall zu kaufen, die Netze werden auch von Umweltschutz-Organsiationen empfohlen. Eine einfache, kostengünstige und sinnvolle Maßnahme, um die Plastikflut beim Einkauf einzudämmen.

Der eigene Rucksack

Absoluter Gewinner bei der Umweltbilanz. Ist jahrelang wieder verwendbar, die Einkäufe können mit dem Fahrrad erledigt werden.

Image Credits: Deutsche Umwelthilfe