Verpackungs-Check bei Amazon, Otto, Zalando & Co.
Hundertausende Pakete reisen täglich kreuz und quer durchs Land: Wir lassen uns Schuhe und Bücher, Gemüse oder ein neues Smartphone-Kabel direkt ins Haus liefern. Aber können wir wirklich ruhigen Gewissens per Mausklick shoppen – oder versinken wir in einem Meer aus Verpackungsmüll? Wir von flustix haben uns angeschaut, wie nachhaltig und innovativ die größten in Deutschland vertretenen Versandhändler ihre Waren verpacken und verschicken.
Amazon versendet zwei Millionen Pakete am Tag
Der mit Abstand größte Händler in Deutschland ist Amazon. Im Vergleich zu 2019, also seit den Corona-Lockdowns, hat sich der Jahresumsatz um 68 Prozent erhöht. Die Deutschen kauften im Jahr 2021 für mehr als 32,6 Milliarden Euro auf der Internetplattform ein. Fast unvorstellbar: Das sind Tag für Tag Waren im Wert von 90 Millionen Euro – oder in Paketen gerechnet: zwei Millionen Stück täglich. Maßnahmen des Versandriesen, um den Verpackungsmüllberg zu verkleinern:
Weniger Gewicht. Die Ware kommt meist in Kartons oder Versandtaschen aus Pappe. Der Versandhändler setzt auf Material-Einsparungen. Seit 2015 soll das Gewicht der Versandverpackung pro Sendung um mehr als 36 Prozent reduziert worden sein. Damit sollen laut Amazon mehr als eine Million Tonnen Verpackungsmaterial eingespart worden sein– das entspreche rund zwei Milliarden Versandkartons.
Frustfreie Verpackung. Unternehmen, die über Amazon Waren verkaufen, müssen sich dem hauseigenen Frustration-Free-Packaging-Programm anschließen. Ziel: Waren sollen keine zusätzliche Umverpackung erhalten, die eigentliche Verpackung muss recyclingfähig sein. Dafür benötigen die Händler international gültige Zertifizierungen. In der EU gilt dafür die Direktive 94/62/EG vom 20. Dezember 1994 des Europäischen Parlaments und Rats über Verpackungen und Verpackungsabfall. Die unabhängigen Zertifizierungen von flustix sind hier anerkannt.
Angepasstes Design. Übergroße Verpackungen, die im Einzelhandel zum Kauf anregen sollen, sind im Versandhandel nicht erforderlich. Deshalb setzt Amazon auf kleinere Verpackungen und überzeugt immer mehr Verkäufer davon, Artikel im Originalkarton, ohne zweite Hülle, zu verschicken. Für die Unternehmen lohnt sich der praktizierte Umweltschutz: Sie sparen zusätzliche Provisionen, die sonst an Amazon fällig werden, außerdem
Kosten für Material sowie Aufwand und Energie für das Verpacken. Ein Gewinn für alle Beteiligten und die Umwelt.
Zustellung. Im vergangenen Jahr wurden rund 40 Millionen Pakete durch Lieferanten zugestellt, die zunehmend Elektrofahrzeuge oder Cargo-Bikes nutzen. In den USA rüstet Amazon auf Elektroflotte um, bestellte 100.000 Elektro-Transporter bei einem E-Mobility-Start-up.
Doch Recherchen belasten Amazon: Neuwaren werden vernichtet
Was alle diese Bemühungen und kommunizierten Nachhaltigkeits-Absichten ad absurdum führt, sind aktuelle Recherchen des ZDF-Magazins “frontal”. Demnach vernichtet der Konzern weiterhin Retouren, darunter auch Neuwaren. Als Beispiele werden Kettensägen, Autofelgen, Töpfe, Laptops, Kopfhörer, Solarlampen, Toner-Kartuschen und Keyboards genannt. Außerdem original verpackte Babydecken. Daran hat auch die von der Bundesregierung 2020 eingeführte Kreislaufwirtschaftspflicht offenbar nichts geändert. Verdacht: Die Einhaltung der Obhutspflicht wird gar nicht kontrolliert.
OTTO testet Versandtaschen aus Gras und Plastikmüll
Versand-Urgestein OTTO (Gründung: 1949) ist der zweitgrößte Onlinehändler in Deutschland. Er testet gerade neue Verpackungslösungen.
Gras-Tüten. Der Onlinehändler will in Zukunft kompostierbare Tüten benutzen, die sich nach Angaben des Konzerns innerhalb von zwei Wochen vollständig zersetzen. Sie bestehen aus Graspapier und einem biobasierten Plastikersatz aus Pflanzenabfall. Das Unternehmen entwickelt die Pro-duktneuheit mit dem Hamburger Start-up traceless und versendet in einem Pilotprojekt die ersten 5000 Tüten an Kunden. Die innovative Verpackung wird vorwiegend für Textilien und Kleinartikel wie Staubsaugerbeutel oder Rasierklingen verwendet.
Wildplastik. Diese Idee ist bereits eingeführt. OTTO nutzt Versandtüten, die aus recyceltem Plastik bestehen. Die Besonderheit daran: Das Plastik wird nach Unternehmensangaben in Ländern wie Haiti, Nigeria oder Indien in der Natur gesammelt – unter sozialen Lohnbedingungen. Der Abfall gelangt per Schiff nach Portugal, wird dort zu Granulat verarbeitet, aus dem später neue Tüten produziert werden. Trotz des Transports sollen 70 Prozent CO2 im Vergleich zu einer neuen Tüte eingespart werden – zusätzlich verschwindet tonnenweise Abfall aus der Natur. Klingt gut, ist so gut wie nicht überprüfbar und funktioniert nicht bei allen Anbietern. Über ein besonders dreistes Beispiel eines Taschenherstellers, der mit solchen Themen warb, berichten wir hier.
Tüten statt Kartons. Die normalen Versandtaschen bestehen laut OTTO zu 80 Prozent aus recyceltem Kunststoff. Außerdem haben die Tüten das „Blauer Engel“-Zertifikat, weil sie platzsparender gestapelt werden können als Kartons und so umweltfreundlicher transportiert werden können. Der Rezyklat-Einsatz und die Echtheit des Anteils an Rezyklaten in den Tüten sind damit jedoch nicht sichergestellt – auch dafür braucht es künftig einen unabhängigen Nachweis. Warum, das lest ihr hier.
Zalando faltet die Kleidung möglichst klein zusammen
Der Schuh- und Kleidungsspezialist setzt auf Recyclingmaterialien und erforscht in einem Pilotprojekt den Einsatz von Mehrweg-Versandbeuteln.
Recyclingmaterial. Im vergangenen Jahr benutzte Zalando 68.000 Tonnen Verpackungsmaterial: 89 Prozent davon stammten aus Recyclingmaterial, fast alles (99 Prozent) deklariert der Händler als recycelbar. Die Kartons bestehen zu 100 Prozent aus recycelter Pappe, der Markenaufdruck besteht aus Tinte auf Wasserbasis. Die kleinen Plastiktüten, die die Kleidung schützen, sind nach Angaben des Onlineversands aus recyceltem Kunststoff. Einen unabhängigen Nachweis liefert Zalando allerdings für keine seiner ambitionierten Angaben.
Kein Klebeband. Die Versandkartons haben Klebekanten. Deshalb benötigen vier von fünf Kartons kein Extraklebeband.
Neue Papiertüten. Zalando-Versandtaschen bestanden bislang nach eigenen Angaben und somit ungeprüft zu 80 Prozent aus Recyclingplastik. Der Händler stellt gerade auf Tüten aus FSC-zertifiziertem und recycelbarem Papier um.
Auch Kosmetikprodukte kommen jetzt in der „Beauty Bag“ aus Papier. Früher wurden sie in Luftpolsterfolie plus Karton verpackt.
Faltkunst. Kleidungsstücke werden möglichst klein zusammengefaltet, damit auch die Versandkartons kleiner ausfallen können.
Mehrweg-Verpackung. Diese Idee könnte den Versandhandel revolutionieren. Seit drei Jahren testet Zalando mit 20.000 Kund:innen in Skandinavien Mehrwegversandverpackungen mit dem Pilotpartner RePack. Die Idee: wiederverwendbare Versandbeutel, die auch für die Rücksendung benutzt werden können. Größte Herausforderung dabei ist die Organisation des Rückversands der leeren Beutel. RePack wirbt groß mit dem Einsatz von Rezyklaten, auch hier bedarf es künftig auf EU-Grund einer unabhängigen Zertifizierung. Ein anderes Start-up geht ebenfalls gerade mit Mehrweg-Versandtaschen an den Markt, hat ein komplettes Pfandsystem entwickelt. Die Geschichte dazu findet ihr hier.
Mediamarkt und Saturn verpacken Glühbirnen in Recyclingpapier
Der Elektronikhändler setzt innovative Ideen bei den Produktverpackungen um.
Eigenmarken. Tochterfirma Imtron, Herstellerin der Eigenmarken, hat schon 2013 eine eigene Verpackungsrichtlinie verabschiedet. Die fünf Ziele: Remove, Reduce, Reuse, Renew und Recycle. Dadurch wird das Verpackungsvolumen insgesamt reduziert. Das Unternehmen setzt zudem auf neue Materialien und Recyclingkreisläufe. Zu unabhängigen Zertifizierungen macht das Unternehmen keine Angaben, benötigt aber auch hierfür ab 2023 einen unabhängigen Nachweis, wenn es weiter beworben werden sollte. Die flustix-Siegel sind als offizieller Nachweis anerkannt.
Papier statt Blister. LED-Lampen wurden früher in Blisterverpackungen aus Plastik verkauft, inzwischen werden diese in Recyclingpapier verpackt. Auch hier muss man sich bezüglich der Recyclinganteile auf die Angaben des Unternehmens verlassen, eine unabhängige Zertifizierung dafür wird nicht kommuniziert.
Mehrweg-Tinte. Pro Jahr werden in Deutschland 100 Millionen Druckerkartuschen verkauft – die meisten landen als Fehlwurf im Hausmüll, müssen teilweise als Sondermüll entsorgt werden. Bei MediaMarkt und Saturn können Kund:innen jetzt wiederaufbereitete Patronen der Marke ISY für verschiedene Druckermodelle bestellen. Die Patronen werden nach Gebrauch in den Filialen gesammelt und immer wieder neu befüllt.
Lidl versendet Artikel ohne Lieferschein und Anleitung
Nicht nur im stationären Einzelhandel ist Lidl ein Gigant: Der Lebensmittelhändler ist der fünfgrößte Versandhändler Deutschlands – mit mehr Umsatz als IKEA oder H&M. Viele Kund:innen bestellen Elektronikartikel. Nicht nur im Versandhandel gehört Lidl zu den Marktführern. Auch beim Thema Kreislaufwirtschaft gilt die Schwarz-Gruppe als Vorreiter: Mit PreZero gehört einer der wichtigsten europäischen Umweltdienstleister zum Konzern (30.000 Mitarbeitende). Fußball-Fans kennen Pre-Zero aus der Bundesliga: Der Konzern ist Namenssponsor des Stadions der TSG Hoffenheim.
Ohne Dokumente. Lidl legt den Paketen neuerdings keine Lieferscheine und Retourendokumente mehr bei – aus Umweltschutzgründen. Kund:innen erhalten die Dokumente digital.
Digitale Betriebsanleitungen. Pakete enthalten auch keine dicken Anleitungshefte mehr. Lidl legt nur noch Kurzanleitungen bei, ausführliche Informationen können sich Interessenten dann im digitalen Handbuch holen.
Filialmüll. Lidl benutzt ein hauseigenes Kreislaufsystem. Papiermüll aus den Filialen und Lagern geht an den Kartonagenlieferanten des Unternehmens. Daraus entstehen dann hauseigene Recyclingkartons für den Onlineversand. Alle Pappverpackungen sind FSC-zertifiziert und bestehen zu mindestens 70 Prozent aus Altpapier. Ein Positiv-Beispiel, wie sich eine hausinterne Recyclinglösung rechnen kann. Die Schwarz-Gruppe hat da noch sehr viel mehr Potential mit ihrer Tochter PreZero.
Apple schafft einen Kult ab, um Plastik zu sparen
Das Tech-Unternehmen hat Plastikverpackungen den Kampf angesagt.
Weniger Plastik. Seit 2015 reduzierte Apple den Plastikanteil seiner Verpackungen um 75 Prozent. Nur noch vier Prozent der Verpackung bestehen derzeit aus Kunststoff. Bis 2025 sollen auch diese Verpackungen durch Alternativen ersetzt werden. Beim iPhone 13 wurde dank eines neuen Verpackungsdesigns eine Umverpackung aus Kunststoff weggelassen – dadurch will das Unternehmen nach eigenen Angaben 600 Tonnen Kunststoff einsparen.
Keine Displayfolie. Früher war das Abziehen der Displayfolie der letzte Akt des Handy-Auspackens – mit Kult-Charakter. Apple verzichtet inzwischen auf diese Folie und setzt eine Alternative aus Papier zum Schutz ein. Ob diese Papier-Alternative auch wirklich plastikfrei daherkommt, ist bisher weder unabhängig noch von Apple belegt worden.
Braun statt weiß. In einer Testphase begann Apple, reparierte iPhones in braunen Pappschachteln anstatt der weißen Boxen zurückzusenden. Diese Verpackung besteht aus ungebleichtem Papier, wird vom Unternehmen als plastikfrei deklariert, auch hier hilft in der Kunden-Kommunikation die Glaubwürdigkeit von Zertifikaten – z.B. das anerkannte flustix-Siegel.
IKEA verzichtet beim Verpacken künftig komplett auf Plastik
Der Möbelhändler will Plastikverpackungen komplett stoppen.
Null Plastik-Mission. Schrauben im Plastiktütchen, Stromkabel im Kunststoffschlauch – das soll es ab 2028 bei IKEA nicht mehr geben. Neue Produkte sollen ab 2025 komplett plastikfrei verpackt, bestehende Verpackungen bis 2028 umgestellt werden. Schon heute verpackt IKEA seine Möbelteile in den typischen flachen Pappkartons, benutzt für seine Verpackungen nach eigenen Angaben nur noch zehn Prozent Kunststoff. Insgesamt fallen bei IKEA jährlich 920.000 Tonnen Verpackungen an.
Was ein deutsches Start-up aus Kartons macht, die nicht mehr benutzt werden können, weil sie verschmutzt sind oder der Aufdruck veraltet ist, lest ihr hier.