Verpackungs-Branche feiert eine grüne Messe – aber wie nachhaltig und innovativ ist die Fachpack?

Verpackungs-Branche feiert eine grüne Messe – aber wie nachhaltig und innovativ ist die Fachpack? 1920 768 flustix

BILANZ

Für flustix vor Ort auf der Messe: Xenia Kersten, Malte Biss und Krzysztof Babel

Die Fachpack ist die wichtigste Messe der Verpackungsindustrie in Europa. Das flustix-Team war vor Ort, hat sich drei Tage lang umgesehen und zieht Bilanz: Die Farbe Grün dominiert, die Transformation der Branche ist spürbar – doch die ganz großen Innovationen fehlten.

Wie innovativ ist die Verpackungsbranche?

Die Industrie steht unter Druck. Der Online-Handel nimmt zu, die Ansprüche an die Nachhaltigkeit der Verpackungen steigen, die Rohstoffpreise auch. Die auf der Messe präsentierten Lösungsansätze erscheinen unspektakulär: faserbasierte Materialien sind auf dem Vormarsch. Pappe, Papier, Kartonagen, aber auch Materialien aus Gras, Stroh und Bambus prägen das äußere Erscheinungsbild der Fachpack. Die harten Zahlen sprechen eine andere Sprache: Rund 75 Prozent der genutzten Verpackungen werden nach wie vor auf Kunststoff-Basis hergestellt. Ein Grund, warum Plastik auch in Zeiten von Nachhaltigkeits-Stürmen weiterhin auf Kurs bleibt: Das Rohmaterial ist nach wie vor relativ günstig – trotz der Krise.

Pappe, Papier und Kartonagen sind auf dem Vormarsch

Dennoch ist die Renaissance der Papierbranche spür- und sichtbar. Es herrscht Aufbruchstimmung. Der Vorteil des Sektors ist klar: Die Recycling- und Kreislauf-Strukturen bei Papier sind sehr viel besser ausgebaut als die für Kunststoffe. Zudem machen sich Papier-Gigant Mondi und auch weitere Anbieter mit einer Innovation im Kunststoff-Markt breit: Gleich mehrere Produzenten stellten auf der Fachpack ein neues schlagfestes Papier vor. Das Zeug könnte künftig Stretchfolie ersetzen – egal ob als Frischhaltefolie ums Pausenbrot oder zur Sicherheit von Umzugsgut oder Waren auf Paletten. Ein riesiges Einsatzfeld.

Plastik-Produzenten werben mit Recyclingfähigkeit

Auch sehr grün, zumindest farblich, sah es bei den Produzenten von Kunststoff-Waren aus. Bei genauerem Hinsehen fehlten hier die großen Innovationen. Wer keine News aus dem Bereich Nachhaltigkeit zu bieten hatte, setzte vor allem auf das Thema Recyclingfähigkeit. Klingt gut, aber wir bei flustix weisen immer wieder drauf hin: Das Ding muss man ganzheitlich betrachten. Ein Material mag recyclingfähig sein, wenn es aber keine Infrastruktur dafür gibt, keine Rücknahmemöglichkeiten, dann bringt das alles gar nichts. Hinzu kommen noch die in Europa gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen: Während wir hier in Deutschland ganz gut vorankommen, stehen andere Länder wie Portugal noch ganz am Anfang. Da landet quasi alles, was aus Plastik ist, am Ende auch in der Verbrennung. Dennoch: Auch bei uns sind die Quoten zu niedrig. Gründe dafür? Das lest ihr hier.

Viele kennen neue EU-Richtlinie noch nicht

Überrascht waren wir, dass viele Unternehmen noch nicht auf die neue EU-Verbraucherschutz-Verordnung vorbereitet sind oder sie noch gar nicht kannten. Die Verordnung soll künftig die Verbrauchenden vor Irreführung schützen: Häufig genutzte Marketing-Slogans wie „plastikfrei” oder „recyclingfähig” müssen dann von unabhängigen Dritten nachgewiesen werden. Xenia Kersten, Kommunikations-Chefin von flustix: „Es ist wichtig, sich darauf vorzubereiten: Produktion und Marketing müssen angepasst werden. Wenn Slogans weiter genutzt werden sollen, kann schon jetzt der Nachweis in Form einer unabhängigen Zertifizierung eingeholt werden.” Wir haben mehrfach darüber berichtet. Was genau da passiert, lest ihr hier.

Auch rund ums Papier tauchen irreführende Slogans auf

Das Fehlen unabhängiger Zertifizierungen ist nicht nur bei Kunststoff-Produkten ein Thema. Auch viele faserbasierte Verpackungen mit Slogans wie „plastikfrei“ waren auf der Fachpack zu finden. Natürlich fragen wir als Siegel-Spezies immer gleich nach der unabhängigen Zertifizierung („Hallo, wir sind die mit dem Fisch!“). Ratet mal… In der Regel liegt so etwas nicht vor. Und bei genauerem Hinsehen waren einige Produkte dann doch nicht so ganz plastikfrei.

Noch eine Erkenntnis: Rezyklate sind zu teuer

Ganz wichtig: Die Branche ist keineswegs innovationsfeindlich. Sie kämpft mit Rohstoffknappheit, steigenden Preisen und muss die gewaltige Nachfrage managen, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde. Hinzu kommt noch: Die Preise für Kunststoff-Rezyklate sind viel zu hoch, das bremst die Transformation. Wie sieht denn nun die Zukunft aus? Hersteller Mondi bringt es mit seinem bekannten Slogan auf den Punkt: „Paper Where Possible, Plastic When Useful.“

Für die Konsument:innen bleibt vor allem eine Frage: Welche Verpackung ist Nachhaltigkeits-Sieger im Supermarkt? Alles dazu lest ihr hier.