Von unserer Autorin Ulrike Seidel
Das gebrauchte Fahrrad des Nachbarskindes, ein Puzzle von Ebay-Kleinanzeigen oder Opas alte Geige – viele Eltern werden dieses Jahr ein Secondhand-Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen. Um Geld zu sparen, die Umwelt zu schützen und weil es sich vielleicht ein bisschen wie früher anfühlt. Aber sind gebrauchte Spielsachen zu Weihnachten wirklich okay? Und wie pimpt man die Schnäppchen zu ganz persönlichen, besonderen Geschenken auf?
Alle Jahre wieder droht eine Geschenke-Flut
Alle Jahre wieder, zum Fest der Liebe, graut mir (trotz aller Vorfreude) ein bisschen vor der „schönen Bescherung“: Habe ich den Geschmack der Beschenkten getroffen? Sind die Geschenke auch gut und teuer genug? Hat unser Kind genug bekommen? Kriegen seine Klassenkameraden mehr? Um auf Nummer sicher zu gehen, kaufen wir noch das teure Kugelbahnen-Set, das coolste Bike oder ein High-End-Keyboard, dazu noch allerlei Geraffel aus der Kategorie „ganz nett“, pädagogisch wertvolle Bücher, klar, und die neue Hose der Wunschmarke. Und wenn dann die bunte Pracht auf dem Teppich liegt, kommen noch die Geschenke von Omas, Opa, Cousin und Tanten… Und ich bete innerlich, dass all die Dinge es hervorlocken, das selige Lächeln unseres Sohnes, wenn er das ersehnte Spielzeug auswickelt und unterm Weihnachtsbaum damit zu spielen beginnt.
Was früher secondhand war, ist heute „pre-loved“ oder „refurbished“
Aber: Muss das wirklich sein? Ist es wichtig, dass alle Geschenke neu sind? Und so viele? Gerade in Krisenzeiten können und wollen sich viele Eltern, Omas oder Nachbarn diesen alljährlichen Konsumrausch nicht mehr leisten. Sie kaufen gebrauchte Weihnachtsgeschenke. Secondhand hat längst sein etwas düsteres Kellerkisten-Image verloren: Heutzutage heißen die Waren „pre-loved“, „pre-owned“ oder „refurbished“ – und sind eher hip als schmuddelig.
Umfragen belegen: gebrauchte Geschenke sind angesagt
Eine Umfrage der Secondhand-Mode-Börse „Vinted“ in vier Ländern ergab, dass 56 Prozent der Befragten zu Weihnachten einen Mix aus neuen und gebrauchten Dingen verschenken und auch bekommen möchten. Weitere 14 Prozent wollen nach eigenen Angaben nur noch Gebrauchtes schenken. Auch andere Händler bestätigen den Trend.
- Beim Gebrauchtwarenhändler Oxfam steigen die Verkaufszahlen in der Vorweihnachtszeit um zehn Prozent.
- Auch eine Umfrage im Auftrag von eBay Deutschland zeigte vor einem Jahr, dass der Gebraucht-Trend wächst: 33 Prozent der Deutschen gaben an, zu Weihnachten auch gebrauchte Artikel oder B-Ware zu verschenken, bei jungen Erwachsenen (18-29 Jahre) sind es sogar 46 Prozent. Und was würden die mehr als 10.000 Befragten gebraucht als Geschenke kaufen? Die Antwort: Spielzeug (57,7 Prozent), Fahrräder (54,1 Prozent), Elektronik wie TV, Smartphones oder Tablets (49,7 Prozent) und Schmuck (49,1 Prozent).
- Nachhaltigkeit ist für 72 Prozent der Deutschen der wichtigste Grund, um bei Weihnachtsgeschenken auf gebrauchte Artikel oder B-Ware zurückzugreifen. Grund zwei ist der Preis, den 49 Prozent der Befragten nannten.
- In einer Trendstudie zu ethischem Konsum, die die Otto Group 2020 veröffentlichte, gaben 73 Prozent der Befragten an, dass sie es gut finden, gebrauchte Dinge wie Kleidung oder Möbel kaufen oder verkaufen zu können.
Wie reagieren Kinder auf gebrauchte Geschenke?
Secondhand-Schenker sind also in bester Gesellschaft. Aber fühlt mein Kind sich wirklich geliebt, wenn es etwas Gebrauchtes bekommt?
Ja, das tut es – wenn du es schaffst, dein Secondhand-Schnäppchen in einen Schatz zu verwandeln – und alles geschickt kombinierst. Unser Sohn besitzt zum Beispiel fast ausschließlich gebrauchte Kleidung, die wir von der Verwandtschaft bekommen. Praktisch für uns, aber zu Weihnachten würde ich ihm keine gebrauchten Klamotten schenken – im Gegenteil: Ich nähe ihm jedes Jahr ein Shirt mit seinem Wunsch-Motiv, die Oma kauft ihm den ersehnten Anorak oder der Onkel wird beauftragt, ein Messi-Trikot zu besorgen. Dafür sind die LEGO-Flugzeuge unterm Weihnachtsbaum dann „pre-owned“ und trotzdem heiß begehrt, weil es diese Modelle so gar nicht mehr zu kaufen gibt.
5-Geschenke-Regel bietet Orientierung
Schenken ist ja, pathetisch ausgedrückt, glitzernd eingewickelte Liebe. Eltern müssen überlegen, worüber sich ihre Kinder wirklich freuen könnten. Zuerst muss man sich darüber klar werden, wieviele Geschenke es überhaupt sein sollen. Viele Eltern in unserem Freundeskreis nehmen inzwischen die 5-Geschenke-Regel als Leitplanke: ein Herzenswunsch, etwas Nützliches, etwas zum Anziehen, etwas zum Lesen, ganz viel Zeit. Wenn man ungefähr weiß, was man möchte, kann die Jagd nach den verborgenen Schätzen beginnen.
Lust bekommen? flustix wünscht viel Spaß beim Schätzesuchen und Verschenken.