Auch bei recyceltem Schmuck ist nicht alles Gold, was glänzt

Auch bei recyceltem Schmuck ist nicht alles Gold, was glänzt 1920 768 flustix

Gold ist eines der begehrtesten Edelmetalle. Goldschmuck drückt besondere Wertschätzung für den beschenkten Menschen aus. Investitionen in Goldreserven gelten als besonders sicher. Der Begriff Gold hat eine positive Symbolkraft. Wenn etwas „Gold wert“ ist, dann ist es ganz besonders wertvoll. Wir drehen die Goldmedaille heute um und blicken auf die dunkle Seite. Was wir dort sehen, ist in vielerlei Hinsicht erschreckend. Wer bewusster leben will, etwas für die Umwelt tun und die Ausbeutung von billigen Arbeitskräften stoppen will, sollte trotzdem drauf gucken. Gibt es Lösungen? Ja. Die haben beispielsweise mit Recycling zu tun. Aber auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt.

Was der Goldabbau anrichtet

Die Zeiten, in denen die Goldnuggets aus dem Yukon River gewaschen wurden, sind längst vorbei. Die oberflächlichen Vorkommen sind ausgeschöpft. Heute dringen Goldsucher tiefer in einzigartige Ökosysteme vor, schlagen Schneisen in Urwälder, sprengen gewaltige Löcher in Berge. Betroffen sind u.a.: Brasilien, Chile, Mexiko, Russland, China, Indonesien, Südafrika aber auch westliche Industrienationen wie die USA, Kanada und Australien.

Die Umweltschutzorganisation WWF beschäftigt sich mit den Folgen des Goldbergbaus, benennt Umwelt- und soziale Risiken:

  • Abholzung von Wäldern und Zerstörung von Ökosystemen, u.a. durch den Bau von Zufahrtstraßen und Siedlungen in abgelegene Gebiete.
  • Kontaminierung von Gewässern durch hochgiftige Chemikalien wie Arsen, Quecksilber und Zyanid.
  • Laut einer WWF-Studie sind Speisefische im brasilianischen Amazonas verseucht: Bei einem Drittel der untersuchten Tiere wurde eine überhöhte Quecksilber-Dosis festgestellt.

Die vom WWF gelisteten sozialen Folgen sind ebenso gravierend:

  • Vertreibung der lokalen Bevölkerung und indigener Gruppen.
  • Ausbeuterische Arbeitsbedingungen: häufig kommt es sogar zu Zwangs- und Kinderarbeit.
  • Im Kleinbergbau gibt es nach wie vor Sklaverei und Menschenhandel.
  • Förderung von Korruption und Konflikten: Terrorgruppen und Warlord-Clans finanzieren sich durch illegalen Bergbau.

Recycling von Gold mit besserer Klimabilanz

„Aus Sicht des WWF Deutschland ist ein Großteil des heutigen Goldabbaus unnötig, viel mehr recyceltes Gold könnte genutzt werden“, fordert die Organisation. Gold aus altem Schmuck, Zahngold oder Elektroschrott sei eine sinnvolle Alternative zum Minengold und könne einfach recycelt werden.

Das klingt nachvollziehbar. Während wir beim Kunststoff-Recycling noch am Anfang stehen, wird Gold in Deutschland bereits seit knapp 200 Jahren in Scheideanstalten professionell recycelt. Eigentlich kein Wunder: Niemand käme auf die Idee, eine ungeliebte Goldkette oder einen Ehering nach der Scheidung einfach wegzuwerfen. Die Klimabilanz von recyceltem Gold ist eindeutig besser: Bei der Herstellung von primär gefördertem Gold fallen 20 Mal mehr CO2-Äquivalente an als beim Recycling.

Doch auch recyceltes Gold glänzt nicht immer

Aufgrund des gestiegenen Bewusstseins vieler Verbraucher:innen setzen Schmuckdesigner vermehrt auf die Verarbeitung von Recycling-Gold. Doch auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Das Investigativ-Recherche-Kollektiv Flip veröffentlichte jüngst einen Report über das im deutschsprachigen Raum erfolgreiche Label Bruna. Die aus Österreich stammende Company verspricht Schmuckstücke aus „100% recyceltem Gold und Silber“. Zentraler Slogan von Bruna: „Fine jewellery made responsibly“, inspiriert von der „Schönheit und Vielfalt der Natur“. Populäre Nachhaltigkeits-Influencerinnen werben für Bruna. Auf der Website prangt ein Siegel „Climate neutral“.

Woher stammt das Gold von Bruna?

Die Frage stellte Flip-Autorin Katharina von der Kaus an das Unternehmen. Das Ergebnis: Die recycelten Rohstoffe stammen aus Fabriken des belgischen Großkonzerns Umicore in Belgien und Thailand. Unabhängige Herkunftsnachweise liefert der Konzern nicht, lediglich ein Dokument, das eher den Charakter einer Selbstauskunft habe. In dem Flip-Report heißt es: „Zwar wurde Umicore von Responsible Jewellery Council (RJC) zertifiziert, einem Gremium der Schmuckindustrie. Die Herkunftsnachweise aber werden von Umicore selbst ausgefüllt.“ Eine darüber hinaus gehende Zertifizierung gebe es in der Schmuckbranche gar nicht. Flip zitiert eine Sprecherin der Organisation Human Rights Watch: „Der Prozess der Zertifizierung durch den RJC ist völlig intransparent.“

Zu den international anerkannten Zertifizierungsprogrammen für recycelte Metalle gehört flustix. Gründer und Geschäftsführer Malte Biss: „Beim Thema Metalle sind die Kreisläufe insgesamt schon sehr weit geschlossen. Seit Anfang 2022 bietet flustix auch Zertifizierungen für recycelte Metalle an. Der Fokus liegt hier hauptsächlich auf Stahl, Kupfer und Alu. Hier werden die größten Mengen umgesetzt, somit wird bei diesen Metallen ein großer CO2-Impact erreicht und dokumentiert. Aber auch für recyceltes Gold kann der global anerkannte Recycling-Standard, auf dem flustix basiert, angewandt werden”

Anti-Greenwashing-Gesetz der EU hilft auch hier

Wer sicher gehen möchte, mit dem Kauf von Goldschmuck nicht zur Ausbeutung von Arbeiter:innen beizutragen, dem empfiehlt das Nachhaltigkeits-Portal Utopia, auf Fairtrade-Siegel zu achten, z.B. auf das von Fairtrade Deutschland. Doch auch hier wird schnell deutlich, wie weit die Schmuckbranche noch von nachhaltigem und sozialen Wirtschaften entfernt ist: Auf der Liste der Fairtrade-Goldminen steht aktuell lediglich ein einziges Unternehmen aus Peru. Deshalb lohnt auch ein Blick auf gebrauchten Schmuck: Online, bei den bekannten Second-Hand-Portalen wie EBay-Kleinanzeigen – oder im echten Leben, z.B. in Antiquariaten.

Am Ende sind Verbraucher:innen selbst gefordert: Vertraue nicht jedem Fairtrade- oder Recycling-Siegel, sondern frage kritisch nach. Abhilfe schafft auch hier das geplante Anti-Greenwashing-Gesetz der EU: Die neue Green-Claiming-Verordnung soll Aussagen bezüglich Nachhaltigkeit regeln und dem Wildwuchs von Selfmade-Siegeln ein Ende bereiten. Einführung geplant ab September 2023.

 

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